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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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dieser Mann auf sich selbst achtgeben, da er die Waffen trug, mit denen er sich schützen konnte.
    »Ich reise schnell«, erklärte Rafe. »Eine große Gruppe ist langsam. Wenn ein Mann allein reist, kann er auch von niemand im Stich gelassen werden.«
    »Kommt Ihr von weit her?«
    »Von Warwick.« Ein Mann, der nicht viele Worte verlor und keine Neugierde zeigte, das war dieser Falkner des Grafen.
    Aber sprach das für ihn? Bezüglich der Suche nach dem vermißten Jungen machte er keine Anstalten, Fragen zu stellen, doch hatte er ein gewisses Interesse an den Ställen und den dort untergebrachten Pferden gezeigt. Und nachdem er sein Tier versorgt hatte, verweilte er im Stall und betrachtete die anderen Tiere mit scharfem, kundigem Auge. An den Maultieren und Arbeitspferden wanderte sein Blick vorbei, doch den hellen Falben, der Drogo Bosiet gehört hatte, betrachtete er etwas länger. Das war verständlich für einen Mann, der selbst ein gutes Tier ritt, denn der Falbe war ein schönes Pferd und gewiß von bester Abstammung.
    »Kann sich Euer Haus ein solches Tier überhaupt leisten?«
    Er legte anerkennend eine Hand auf die glänzende Kruppe und streichelte die gespitzten Ohren des Tiers. »Oder gehört dieser Bursche einem Gast?«
    »Er gehörte einem Gast«, antwortete Cadfael kurz.
    »Er gehörte? Wie das?« Rafe wandte sich neugierig um und sah Cadfael mit scharfen, brennenden Augen an.
    »Der Mann, dem das Tier gehörte, ist tot. Er liegt in unserer Friedhofskapelle.« Da der ältere Bruder am Morgen auf dem Friedhof bestattet worden war, hatte Drogo die Kapelle jetzt für sich allein.
    »Was für ein Mann war er? Und wie starb er?« Nun begann er doch, Fragen zu stellen; anscheinend hatte ihn diese Neuigkeit aus seiner Gelassenheit und Gleichgültigkeit gerissen.
    »Wir fanden ihn ein paar Meilen von hier entfernt tot im Wald, gestorben durch einen Messerstich in den Rücken und beraubt.« Cadfael war im nachhinein nicht sicher, warum er in diesem Augenblick so zurückhaltend war und warum er beispielsweise nicht einfach den Namen des toten Mannes nannte. Hätte der neue Gast nachgefragt, so hätte er gewiß eine freimütige Antwort bekommen. Doch an diesem Punkt hörten die Fragen auf. Rafe tat die Gefahren, die ein einsamer Ritt im Wald im Grenzland nun einmal mit sich brachte, mit einem Achselzucken ab und verschloß die Tür des Verschlages vor seinem zufriedengestellten Pferd.
    »Nun, es ist eine Lehre. Ich sage immer, man muß gut bewaffnet reisen oder sich an die Hauptstraßen halten.«
    Er säuberte seine Hände und wandte sich zum Tor. »Ich will mich auf das Abendbrot vorbereiten.« Und er schritt zielstrebig davon, wenn auch nicht zum Gästehaus. Vielmehr nahm er Kurs auf den Kreuzgang. Cadfael fand die Zielstrebigkeit, mit der sich der Mann zur Kirche wandte, so auffällig, daß er ihm neugierig folgte. Rafe von Coventry stand zögernd am Gemeindealtar und sah sich unsicher zwischen den vielen Seitenkapellen um, die in den Nebenschiffen der Hauptkirche untergebracht waren. Cadfael wies ihm die Kapelle, die er suchte.
    »Da drüben. Der Bogengang ist niedrig, aber Ihr seid nicht größer als ich und braucht Euch deshalb nicht zu bücken.«
    Rafe bemühte sich nicht, seine Absicht zu verbergen oder zu bestreiten oder sich Cadfaels Begleitung zu verbitten. Er schenkte ihm einen ruhigen, nachdenklichen Blick, nickte dankend und folgte ihm. Und in der steinernen Kühle und in dem trüben Licht der Kapelle trat er sogleich an die Bahre, auf der Drogo Bosiets sterbliche Überreste bedeckt lagen. Am Kopf und zu den Füßen brannten Kerzen, in deren Licht er das Tuch vom Gesicht des Toten hob.
    Er musterte einen Moment die starren, bleichen Züge und deckte sie wieder zu, ohne jede Spannung und Eile, wie sie noch die Bewegungen seiner Hände vorher verraten hatten.
    Angesichts des Todes fand er sogar etwas Zeit für schlichte menschliche Ehrfurcht.
    »Kennt Ihr ihn zufällig?« fragte Cadfael.
    »Nein, ich habe ihn noch nie gesehen. Gott möge seiner Seele gnädig sein!« Und Rafe richtete sich von der Bahre wieder auf, um erleichtert Atem zu schöpfen. Welches Interesse er auch immer an der Leiche gehabt hatte, die Angelegenheit war für ihn erledigt.
    »Er war ein wohlhabender Mann namens Drogo Bosiet aus Northamptonshire. Sein Sohn wird jeden Tag hier erwartet.«
    »Was Ihr nicht sagt. Es wird seiner Reise eine schreckliche Wendung geben.« Doch die Worte, die er nun sprach, waren nur oberflächlich; er

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