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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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nichts. Aber wir sind hier in einer Gegend, in der ihn niemand kennt, und nicht jeder ist bereit, sich in eine solche Angelegenheit hineinziehen zu lassen. Außerdem hat er mit Sicherheit einen anderen Namen angenommen.«
    Warin stand widerwillig auf, um sich seinen Pflichten zuzuwenden. »Ich hoffe, er hat es gut getroffen. Ganz egal was die Bosiets sagen, er war ein anständiger Junge.«
    Bruder Winfrid harkte das Laub unter den Obstbäumen zusammen, die im feuchten Herbstwetter ihre Blätter schon abgeworfen hatten, ehe diese ihre herbstliche Färbung annehmen konnten. Auf das Gras war ein weicher grüner Regenguß niedergegangen, der allmählich versickerte. Cadfael fand sich, nachdem Warin gegangen war, allein und ohne Beschäftigung. Es war eine Gelegenheit, sich still hinzusetzen und nachzudenken, und es konnte nicht schaden, ein oder zwei Gebete zu sprechen: Für den Jungen, der auf seinem schwarzen Pony so närrisch und selbstlos davongestürmt war, für den tollkühnen jungen Mann, den er retten wollte, und sogar für den harten, böswilligen jungen Herrn, der nicht einmal Zeit zu Reue oder Absolution fand und gewiß dringend der Gnade Gottes bedurfte.
    Die Glocke, die zur Vesper rief, riß ihn aus seinen Grübeleien. Er folgte bereitwillig dem Ruf und ging durch die Gärten und über den Hof zum Kreuzgang, um durch die Südtür die Kirche zu betreten und sich rechtzeitig an seinem Platz einzufinden. In den letzten Tagen hatte er allzuviele Gottesdienste versäumt, und nun brauchte er die beruhigende Gegenwart seiner Brüder.
    Es gab immer einige Leute aus der Vorstadt, die am Vespergottesdienst teilnahmen: treu ergebene alte Frauen, die in den Armenhäusern der Abtei wohnten, ältere Paare, die ihren Beruf aufgegeben hatten und sich nun über jede Gelegenheit freuten, in der Kirche ihren Freunden zu begegnen. Häufig nahmen auch Gäste der Abtei nach geschäftigen Tagen an den Gottesdiensten teil. Cadfael hörte, wie sie sich im weiten Kirchenschiff jenseits des Gemeindealtars regten. Auch Rafe von Coventry war durch den Kreuzgang hereingekommen und hatte einen Platz gewählt, von dem aus er am Gemeindealtar vorbei zum Chorgestühl blicken konnte. Auch wenn er im Gebet kniete, strahlte er die ruhige Gelassenheit aus, die Cadfael schon bei der ersten Begegnung bemerkt hatte. Ein Mann, der sich sicher und in seinem Körper wohlfühlt und der sein undurchdringliches Gesicht eher als Schild denn als Maske trägt. Er hatte noch keine Anstalten gemacht, Kontakt mit den Lieferanten in Wales aufzunehmen. An diesem Abend war er der einzige Gläubige aus dem Gästehaus. Aymer Bosiet war vermutlich noch in der Stadt mit der Bestellung des Sarges beschäftigt, oder er stöberte irgendwo in Feld und Wald herum, um seinen entlaufenen Leibeigenen zu suchen.
    Die Brüder kamen herein und nahmen ihre Plätze ein, dann folgten die Novizen und Schuljungen. Ihr Anblick löste eine unangenehme Erinnerung aus, denn immer noch fehlte einer von ihnen. Richard konnte nicht vergessen werden. Solange er nicht gefunden war, konnte es für keines der Kinder Seelenfrieden oder Licht im Herzen geben.
    Am Ende der Vesper blieb Cadfael noch einen Augenblick auf seinem Stuhl sitzen und ließ die Prozession der Brüder und Novizen an sich vorbei in den Kreuzgang ziehen. Der Gottesdienst war schön und bot ihm Trost, doch auch die Einsamkeit danach war ihm willkommen, wenn die Echos der Musik verklungen waren. Er genoß es, um diese Abendstunde allein in der Kirche zu sitzen, sei es nun wegen des weichen, taubengrauen Lichtes oder wegen des Gefühls der Grenzenlosigkeit, das die Seele hochfliegen ließ, bis sie die letzten Winkel der großen Kuppel zu erfüllen schien, so wie ein einzelner Wassertropfen zum Ozean wird, in den er fällt. Es gab keine bessere Zeit für innige Gebete, und Cadfael glaubte, daß sie bitter nötig waren. Ganz besonders für den Jungen, der vielleicht irgendwo ebenso einsam war wie er und vielleicht große Angst hatte. Er richtete seine Gebete an St. Winifred, denn als Waliser lag es ihm nahe, eine walisische Heilige anzurufen, der er sich zudem äußerst verbunden fühlte und zu der er eine fast familiäre Zuneigung gefaßt hatte. Sie war, kaum dem Kindesalter entwachsen, als Märtyrerin gestorben, und sie würde nicht zulassen, daß einem anderen Kind etwas zustieß.
    Bruder Rhun, den sie geheilt hatte, schnitt gerade die Duftkerzen zurück, die er für ihren Schrein anfertigte, als Cadfael sich näherte. Rhun

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