Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Kälte und Erregung zitternden Tier ermunternd zu. Nichts geschah. Das Pferd stand wie erstarrt mitten im Fluss und machte keinerlei Anstalten, sich zu bewegen.
Helene sog scharf die Luft ein, bekreuzigte sich und schritt dann beherzt aufs Wasser zu. Sie wartete nicht erst auf Johannes’ Aufforderung. Sie wusste auch so, was zu tun war. Mit der einen Hand hielt sie den Führstrick ihres Pferdes, mit der anderen die Sicherungsleine, die sie mit Johannes verband. Die Kälte des Stroms verschlug ihr für einen Moment den Atem. Sie zog am Strick, rief ihrem Gaul zu, der sich nur sehr widerwillig in Bewegung setzte, ihr dann aber folgte. Langsam tastete sich Helene mit dem Fuß vor. Glitschige, eisglatte Kiesel machten es ihr schwer, einen halbwegs sicheren Halt zu finden, doch sie hatte ja das Seil, an dessen anderem Ende sie Johannes wusste. In der Mitte angekommen, wollte sie Johannes’ Pferd am Halfter packen. Es hatte offenbar genug von der glitschigen Böschung, die es nicht bezwingen konnte, und war zurückgewichen. Jetzt stand es stocksteif und verängstigt im Fluss. Ihre eisigen Finger hatten das Gefühl verloren, und so merkte Helene zunächst nicht, dass sie die Sicherungsleine verloren hatte, als sie nach dem Halfter des Tiers griff. Irritiert beobachtete sie, wie Johannes sich den Hang hinunter in den Fluss stürzte. Doch noch bevor Helene gewahr wurde, in welcher Gefahr sie sich befand, hatte er ihre Hand und sein Pferd ergriffen.
Der seltsame Zug bewegte sich nun langsam aufs andere Ufer zu. Erschöpft kämpfte sich Helene die Böschung hoch, fiel wieder zurück, versuchte es aufs Neue. Johannes kümmerte sich derweil um die Tiere, und nach einer Weile, die Helene wie eine Ewigkeit vorgekommen war, hatten sie es alle geschafft.
Abgekämpft warf sich Helene auf der kalten Erde auf den Rücken, keuchend und hustend. Die Pferde grasten schon wieder friedlich neben ihr. Es regnete noch immer, und Helene zitterte am ganzen Leibe. Als Johannes, der nach Luft ringend neben ihr lag, wieder zu Atem kam, setzte er sich auf und reichte ihr die Hand, um sie hochzuziehen.
»Du musst aus den nassen Kleidern raus, sonst holst du dir noch den Tod.«
Obwohl sie fror wie noch nie, seit sie auf dem neuen Kontinent lebte, schoss ihr das Blut in die Wangen. Was sollte sie denn anziehen, wie stellte er sich das vor? Doch dann sah sie, dass er bei den Pferden stand. Er musste ihnen vor der Flussüberquerung die in Leder eingewickelten Reisedecken umgebunden haben, was sie in der Aufregung gar nicht bemerkt hatte.
»Es ist zwar nicht die neueste Mode, aber fürs Erste wird es reichen.« Er gab ihr zwei trockene Decken samt Gürtel und deutete auf den Wilga-Baum hinter ihr. Dankbar griff sie nach den Wolldecken und verschwand hinter dem Baum. Bibbernd entledigte sie sich der nasskalten Kleider, was einige Zeit in Anspruch nahm. Der Stoff wollte sich nicht von ihrer Haut lösen, und sie zitterte so sehr, dass sie die Finger nur mit Mühe bewegen konnte. Doch dann endlich war sie von Rock und Bluse befreit und hüllte sich in die Decken. Die eine wickelte sie sich als Rock um die Hüften und schloss den Gürtel darüber. Die andere schlang sie um den nackten Oberkörper.
»Helene? Ist alles in Ordnung?« Johannes’ Stimme klang besorgt. Sie zögerte einen Moment, sah an sich hinunter, doch dann trat sie aus ihrem Versteck hervor. Der Regen hatte fast aufgehört. Hinter den Wolken sandte die Sonne ihre letzten Strahlen über das weite Land. Helene schüttelte verlegen ihr feuchtes Haar und zog die Decken fester um ihren Körper, als sie Johannes gegenübertrat, doch als sie ihn sah, musste sie laut lachen. Er war wie sie in Decken gehüllt, seine nackten Beine waren wie die ihren mit Schlamm bedeckt, und das Haar hing ihm genauso wirr in die Stirn. Zusammen mussten sie ein Bild des Jammers abgeben.
»Magst du einen Schluck?« Johannes reichte ihr den Wasserbeutel und außerdem einen Flachmann. Helene griff nach der silbernen Flasche.
»Wo hast du den denn her?«
»Den Scotch hab ich auf längeren Reisen immer dabei. Für unvorhergesehene Fälle wie diesen. Das habe ich von den Treibern gelernt. Decken, Wasser und Schnaps. Brot haben wir heute zwar leider keins, aber normalerweise steht das auch auf der Treiberliste.« Seine blauen Augen funkelten schelmisch. Helene nahm einen großen Schluck. Der Scotch brannte nur kurz und floss dann wärmend durch ihren Körper. Ein wohliger Schauder lief ihr über den Rücken.
»Sehr
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