Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Schnell lief sie zum Herd und griff, entschlossen sich zu verteidigen, nach dem Stiel des Kupfertopfs, in dem das Quittengelee siedend heiß blubberte; die Hände schützte sie mit der Schürze vor der Hitze.
»Noch eine Bewegung, und der Topf landet mitten in deinem schmierigen Gesicht!« Ihre Oberarme begannen, vom Gewicht des Topfs zu zittern, doch sie hielt aus.
Gottfried war aufgestanden, hatte seine Kleidung gerichtet und nahm, jetzt wieder völlig beherrscht, mit ruhiger Hand seinen Hut und wandte sich zur Tür.
»Es ist spät geworden, meine Liebe. Ich hole mir ein andermal, was mir gehört. Grüß mir die Peters. Einen guten Tag noch.«
Als sie die Haustür ins Schloss fallen hörte, setzte Helene den Topf auf dem Herd ab, lief die Diele hinunter und drehte mit zitternden Händen den Schlüssel der Haustür im Schloss. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen und ging in die Knie, fiel mit einem Mal in sich zusammen und begann zu weinen. Sie fühlte sich unendlich gedemütigt.
Nach einer Weile rief sie sich zur Ordnung. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Mit beiden Händen wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und schluckte ihren Schmerz hinunter. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Gottfried würde wiederkommen. Doch sie war nicht länger seine kleine Helene, die sich von den Widerwärtigkeiten eines kranken Mannes einschüchtern ließ. Gottfried unterschätzte sie, und das war gut. Sie hatte sein Buch, und solange es in ihrem Besitz blieb, hatte sie ihn in der Hand.
Helene stand entschlossen auf, ging zurück in die Küche und säuberte den Herd, der vom überkochenden Gelee schon ganz verklebt war. Dann füllte sie die bernsteinfarbene Flüssigkeit in die ausgekochten Gläser und ging auf ihr Zimmer, um sich ein wenig herzurichten. Als sie aus ihrer Stube trat, um für die Peters das Abendbrot vorzubereiten, hatte sie sich vollkommen unter Kontrolle.
Der Gedanke an Amarina hatte Helene keine Ruhe gelassen. Erst recht nicht, seit sie wusste, was Gottfried der jungen Aborigine angetan hatte. Daher wandte sie sich erneut an Warrun, entschlossen, Amarina in der Moiety, was immer das auch bedeutete, aufzusuchen und sich zu vergewissern, dass es ihr und ihrer Tochter dort gutging.
Warrun war gerade im Begriff, mit seinem Stamm ins neue Lager aufzubrechen, als Helene ihn aufsuchte. Sie erfuhr, dass Amarina sich vom Stamm getrennt hatte und zur Moiety gegangen war, weil sie sich mit ihm gestritten hatte. Helene, die die wahren Hintergründe kannte, glaubte das zwar nicht so recht, aber sie wollte es sich mit dem alten Mann nicht verderben. Er selbst hatte ihr schließlich gesagt, dass Amarinas Moiety gar nicht so weit von Zionshill entfernt läge. Nur über den Fluss und dann hinter dem großen Stein, das waren seine Worte gewesen. Helene war überzeugt, dass sie den Weg alleine geschafft hätte, doch er bot ihr an, sie zu begleiten, und sie akzeptierte das Angebot, das sowieso eher einem Befehl als einem Wunsch gleichkam. Im Grunde war es ihr ganz recht, denn obwohl sie der kurze Weg durch den Busch nicht schreckte, hatte sie doch Bedenken, wie man sie als weiße Frau, die noch dazu ganz allein unterwegs war, empfangen würde. Amarina und Cardinia kannten sie zwar, aber dem Stamm selbst war sie fremd. Was also, wenn Amarina nun zufällig gerade nicht im Lager war, wenn sie dort eintraf? Helene verabredete mit Warrun, dass sie sich am übernächsten Morgen gleich nach Sonnenaufgang auf den Weg zu Amarina machen wollten.
Sowohl Anna als auch Luise hatten ihr dieses kleine Abenteuer ausreden wollen.
»Warum willst du unbedingt nach Amarina suchen? Du kennst sie so gut wie gar nicht, sie ist eine Aborigine«, meinte Anna. Luise hatte noch eher Verständnis für die Neugier und Abenteuerlust der Freundin, aber sie hatte Angst um Helene. Vielleicht hatte sie bemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Dabei konnte sie nicht wissen, was zwischen ihr und Gottfried vorgefallen war. Helene hatte es niemandem erzählt. Jetzt lachte sie den beiden besorgten Freundinnen ins Gesicht.
»Seid nicht albern, es ist nur über den Fluss, und ich gehe in Begleitung. Wahrscheinlich seid ihr bloß neidisch!« Heimlich zwinkerte sie Luise zu, von der sie wusste, dass sie sich mehr Spannung im eigenen Leben erträumte.
Die beiden hatten es sich nicht nehmen lassen, Helene am Vorabend des Aufbruchs einen Korb mit Proviant zu schenken. Helene warf einen Blick hinein und war gerührt. Ein halber
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