Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Flasche ab.
»Und es gibt wirklich gar keine Möglichkeit, sich das Gelände von innen anzusehen?« Sie drehte den Verschluss zu und gab die Flasche zurück. Vor ihnen stand ein moderner Zweckbau aus Beton und Glas.
»Keine Chance. Was Sie da sehen, ist das AALH, unser nationales Forschungslabor für Tiergesundheit. Hier werden unter anderem sehr gefährliche Krankheitserreger wie das Hendra-Virus untersucht. Viel zu riskant, Besuchern Zutritt zu gewähren. Aber kommen Sie mal mit.« Debra marschierte rechts am Zaun entlang, Natascha folgte ihr.
»Wieso hat man das alte Zionshill nicht unter Denkmalschutz gestellt?«
»Berechtigte Frage. Normalerweise wäre das auch geschehen. Australien kann mit historischen Gebäuden ja nicht gerade wuchern. Doch im Fall von Zionshill war einfach zu wenig Substanz vorhanden. Es hätte sich nicht gelohnt. Das AALH hat beim Kauf des Grundstücks aber immerhin die Auflage erhalten, das wenige, was noch da ist, zu schützen, und das tun sie wohl auch. Schauen Sie mal, von dort drüben hat man eine ganz gute Sicht.« Debra zeigte mit dem Finger knapp am Gebäude vorbei. »Sehen Sie den verfallenen Schornstein dahinten? Der gehört zum ehemaligen Backhaus. Und weiter oben den riesigen Pfefferbaum? Mit etwas Phantasie können Sie dahinter noch die Überreste des alten Schulhauses erkennen.«
Natascha nahm die Sonnenbrille ab und kniff die Augen zusammen, um Debras Beschreibung zu folgen, doch alles, was sie außer dem Schornstein sah, waren ein paar Steine hinter einem Baum. Schnell setzte sie die Brille wieder auf. Sie wollte nicht, dass Debra ihr die Enttäuschung ansah.
»Ist nicht gerade viel, was von Zionshill übrig geblieben ist, was?«, sagte Debra. »Sollen wir weiter? Wo wir schon mal in den Hills sind, würde ich Ihnen gerne Neu Klemzig zeigen. Das ist nämlich deutlich besser erhalten.«
Der Motor des altersschwachen Holden heulte auf, als er sich die Serpentinen hochquälte. Die Landschaft, auf die Natascha von den Adelaide Hills aus blickte, war die reinste Bergidylle. Weitläufige Wiesen, auf denen hier und da Schafe weideten. Dazwischen schlängelte sich ein schmales Bächlein, doch nur selten sahen sie ein Haus oder eine Farm, und schon gar nicht irgendein Anzeichen von Industrie. Einzig die krächzenden Rosellasittiche und die ausladenden Eukalypten störten die Illusion, sie könnten sich irgendwo in den Alpen befinden.
»Wenn es in den nächsten Tagen so heiß bleibt, ist das Gras auch hier oben bald verdörrt. Sieht ganz danach aus, als müssten wir bald mit den ersten Buschbränden rechnen.« Debras Bemerkung riss Natascha aus ihrer träumerischen Betrachtung. Wahrscheinlich klärte es den Blick auf die Umgebung, wenn man erst einmal dort lebte.
Neu Klemzig bestand im Grunde nur aus der breiten Hauptstraße, an der sich die herausgeputzten Häuschen der deutschen Pioniere wie Perlen auf der Schnur aneinanderreihten.
»Putzig«, rutschte es Natascha heraus, als sie sich in den kleinen Strom von Touristen eingefügt hatten und die Main Street entlangschlenderten.
»Sonderlich beeindruckt scheinen Sie ja nicht zu sein«, bemerkte Debra. Natascha biss sich auf die Unterlippe. Da gab sich Debra so viel Mühe, ihr die Gegend zu zeigen, und alles, was ihr dazu einfiel, war eine blöde Bemerkung.
»Doch, doch«, beeilte sie sich, »es gefällt mir. Es wirkt nur irgendwie …« Natascha suchte nach den richtigen Worten.
»Deutscher als zu Hause?«, half Debra aus.
»Genau das meinte ich«, sagte Natascha erleichtert. »Woher wussten Sie, was ich sagen wollte?«
»Ich mag vielleicht ein wenig altmodisch sein, aber ich bin nicht von gestern. Ich war erst letztes Jahr in Berlin und weiß, dass unser Neu Klemzig nicht viel mit dem modernen Deutschland zu tun hat. Aber Sie müssen verstehen, dass die Siedler so bauten, wie sie es aus der Heimat kannten, und die nachfolgenden Generationen – also auch ich –, wir wollen dieses Erbe bewahren.« Sie blieb stehen und umfasste in einer Bewegung den ganzen Ort.
Dann hielt sie plötzlich inne und sah aus, als horche sie in sich hinein. Jetzt hörte auch Natascha das Grummeln.
»Ich muss unbedingt was essen. Wie steht es mit Ihnen?«
Es war Pech, dass die drei Busse mit den Japanern knapp vor ihnen die »Dorfküche« erreicht hatten. Nur mit Mühe war es ihnen gelungen, einen Tisch zu ergattern. Schnitzel mit Rotkraut, Spätzle und Jägersoße, das Tagesmenü für 16 Dollar 50. Natascha verkniff sich jeden
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