Der geheimnisvolle Highlander
sich vom Speisesaal zurückzog, die Hände fest in die kühle Seide ihrer Röcke verkrampft. Sie fühlte sich zerbrechlich, so als könne sie bei der kleinsten Berührung in tausend Teile zerspringen.
Kurz dachte sie daran, in ihr Gemach zurückzukehren oder wieder zu Alex’ Zimmer zu gehen, um dort auf ihn zu warten, doch sie wusste, dass sie das hier sofort tun musste, sonst wäre sie vielleicht nicht mehr dazu fähig. Sie betrat ein kleines Vorzimmer nicht weit vom Speisesaal entfernt. Dort hätten sie ein gewisses Maß an Privatsphäre, doch der öffentliche Charakter des Raumes würde sie daran hindern, zusammenzubrechen. Sie hatte sich schon genug zum Narren gemacht.
Zu nervös, um sich hinzusetzen, blieb sie neben dem großen steinernen Kamin stehen, von wo aus sie den steten Strom der Höflinge beobachten konnte, die aus dem Speisesaal kamen. Sie musste nicht lange warten.
»Mylaird«, rief sie ihn, als er an der offenen Tür vorbeiging.
Beim Klang ihrer Stimme wandte er den Kopf. Ihre Blicke trafen sich, und der scharfe Schmerz, der gerade angefangen hatte, abzustumpfen, schnitt mit neuer Schärfe in ihre Brust und nahm ihr den Atem. Wie konnte solche Schönheit so viel Verrat verbergen? Das Gesicht, das sie anfangs angezogen hatte, war nur noch schöner geworden, je mehr sie sich in ihn verliebt hatte. Nun, nachdem die Maske gelüftet war, sollte sie eigentlich seine Hässlichkeit sehen. Doch alles, was sie sah, war der Mann, der sie geliebt hatte und der sie angesehen hatte, als wäre sie der schönste und wichtigste Mensch auf der ganzen Welt.
Ihr Schmerz war so greifbar, dass sie sich fragte, ob er ihn spüren konnte.
»Meg«, sagte er und machte ein paar Schritte in den Raum. »Was machst du hier?«
Sie konnte das nicht tun. Verzweiflung stieg in ihr hoch und drohte aus ihr herauszubrechen.
Nein! Sie verdrängte den Schmerz. Er würde niemals erfahren, wie sehr sein Betrug sie getroffen hatte. Sie hatte ihm nie von Ewen erzählt.
Mit erhobenem Kinn sah sie ihm in die Augen. »Ich möchte mit dir reden.« Sie wartete darauf, dass er näher kam. »Dein edles Opfer wird nicht nötig sein«, sagte sie mit einer Schärfe in der Stimme, die ihr völlig fremd war.
Er wirkte ungerührt. »Ich fürchte, ich verstehe nicht.«
»Nicht?« Sie hob eine Augenbraue. »Siehst du, ich habe meine Meinung geändert. Ich fürchte, ich habe deinen Antrag letzte Nacht zu schnell angenommen. Die Antwort ist Nein. Nein, ich werde dich nicht heiraten«, wiederholte sie ein wenig bestimmter.
Wenn er überrascht war, dann zeigte er es nicht. Doch so war Alex, eine undurchdringliche Mauer aus Granit. Ein Krieger. Ein Mann, der niemanden brauchte. Am allerwenigsten sie.
Sein Blick durchbohrte sie mit harter blauer Eindringlichkeit. »Darf ich fragen, warum? Du wirst vielleicht verstehen, dass mich das nach letzter Nacht etwas verwirrt.«
Megs Wangen glühten. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir doch nicht zusammenpassen.«
Er sah sie an, als warte er darauf, dass sie noch etwas sagte. Schließlich fragte er: »Du überlegst es dir nicht mehr anders?«
Sie wünschte sich, er möge ihr widersprechen. Ihr sagen, dass sie sich irrte. Ihr all die Gründe nennen, warum sie heiraten sollten. Das Herz zog sich ihr zusammen. Ihr sagen, dass er sie liebte. Doch er nahm ihre Entscheidung so gleichmütig hin, dass es ihr das Herz brach.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie leise, um das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen. Tränen brannten ihr hinter
den Augen. Sie konnte sich nicht viel länger zusammenreißen.
Er schien das zu spüren und ging auf die offene Tür zu. Einmal sah er sich noch um und hielt ihren Blick einen Augenblick lang fest. Für einen Moment glaubte sie, Bedauern aufblitzen zu sehen. So rohen Schmerz, dass er dem ihren gleichkam. »Leb wohl, Meg. I …« Er brach ab. »Leb wohl.«
Dann war er fort und ließ Meg zurück, leerer und einsamer, als sie sich je in ihrem Leben gefühlt hatte.
Ironie. Manchmal köstlich, dann wieder bitter. Für Alex traf in diesem Augenblick eindeutig Letzteres zu. Gerade als er sie erfolgreich für immer von sich fortgetrieben hatte, erkannte er, wie sehr er sie liebte. Genau in dem Moment, in dem er jede Chance auf eine Zukunft mit Meg zerstört hatte, konnte er ironischerweise den Gefühlen endlich einen Namen geben, die sich ihm so lange entzogen hatten.
Leider war ihr gebrochenes Herz nötig, um ihm die Wahrheit bewusst zu machen.
Die Wahrheit
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