Der Geheimtip
ihm zu regeln.
Das sagte er seinem Chef. Aber der schäumte gleich hoch wie ein Pils, das zu schnell eingeschenkt wurde.
»Sie«, stieß er hervor, »kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit diesem Personalquatsch. Und schon gar nicht mit irgendeinem Gesülze über Meier. Beschweren Sie sich meinetwegen beim Personalrat. Bitte sehr! Wir werden ohnehin bald verkleinern müssen, wenn der Schlendrian hier so weitergeht. Wenn jedes Würstchen denkt, es könnte machen, was es will.«
Knulle war fassungslos.
»Aber, Herr Pettenkamp …«
»Aber, Herr Pettenkamp … ist das alles, was Sie zu sagen haben? Haben Sie mir sonst nichts zu sagen? Alles, was ich hören will, ist die Nachricht, daß mein Geschäft auf Madeira unter Dach und Fach ist. Haben Sie die?!«
»Nein, Herr Direktor«, stotterte Knulle entgeistert. Er sah Pettenkamp treuherzig an und wagte zu fragen: »Schlechte Nachrichten von Herrn Meier?«
In diesem Augenblick machte Pettenkamp einen schweren Rückfall in alte Chefzeiten durch, als es noch keinen Betriebsrat und keine Gewerkschaften gegeben hatte, als ein Chef noch ein Chef und ein Direktor noch der Herr war und machen konnte, was er wollte.
»Das geht Sie einen Dreck an, Herr Knulle«, schrie er mit überschnappender Stimme. »Machen Sie, daß Sie rauskommen. Sonst komme ich noch auf den Gedanken, Ihnen die Papiere aushändigen zu lassen. Da sind Sie platt, was? Wer hat Sie überhaupt hier reingelassen? Sie sind ja gar nicht angemeldet. Wo ist die Buttrich? Wieder mal auf'm Topp, vermute ich, Locken drehen und Gesicht bemalen, wie? Lauter Faulpelze und Versager. Ich bin umgeben von Faulpelzen und Versagern …«
Er war den Tränen nahe. Knulle hörte seine Klagen nicht mehr. Er war schon draußen. Die Buttrich war tatsächlich immer noch nicht da.
Auf dem Flur wischte sich Knulle die Schweißperlen von der Stirn. So was! dachte er zitternd. Nein, so was!
Meine Papiere aushändigen lassen. Dieses Schwein! Der wird sich noch wundern. Eine Katastrophe wäre das für die Schraufa. Allein wie ich nebenbei die Stenotypistinnen in Schwung halte, das soll mir mal einer nachmachen. Wenn die Buttrich meine Sekretärin wäre, würde sie nicht stundenlang auf dem Klo rumtrödeln. Aber ich kriege ja keine Sekretärin. I wo! Ich kann mir hier den Arsch abarbeiten. Was kriege ich dafür? Anschnauzer. Rausschmißdrohungen! Na, warte! Dich erwischt es schon noch!
Er wankte in sein Büro zurück, in dem Meiers Platz kalt und leer wirkte. Er sah nun gar nicht mehr so verheißungsvoll aus wie noch vorhin, als Knulle sich im Falle von Meiers Beförderung Chancen auf dessen Stuhl ausgerechnet hatte.
Wie veränderlich war die Welt, wie unstet das Glück. Wenige Tage erst war es her, da hatten sie hier einen fröhlichen Umtrunk auf Meiers Wohl veranstaltet. Und jetzt? Meier offenbar in Ungnade. Er selbst, Knulle, soeben mit einem Anpfiff bedacht, der völlig ungerecht war und noch dazu allem widersprach, was sich an modernen Arbeitsplätzen gehört.
Mußte er das wirklich schlucken? Er seufzte laut und wickelte sein Frühstücksbrot aus.
Natürlich – Stinker! Heute konnte es ja einfach nichts anderes sein als Stinker. Ein ordentliches Schinkenbrot, eine Stulle mit Schmalz und Mettwurst hätten möglicherweise sein Seelenleben wieder ein bißchen in Ordnung gebracht. Aber nein. Stinker!
Wilma-Luise, seine Frau – und Rüdiger Knulle hatte nie begriffen, wie man so heißen und sich auch noch so nennen lassen konnte – Wilma-Luise hatte ihm Stullen mit Harzer eingepackt. Harzer mit viel Kümmel.
Er mochte Harzer an sich nicht ungern. Aber Kümmel mochte er gar nicht, außer in flüssiger Form, was sich ja nicht vergleichen ließ.
Seit sieben Jahren aber kaufte Wilma-Luise Kümmelharzer. Seit sie verheiratet waren. Es war ihre subtile Form von Rache für jene Schwierigkeiten, die ihr Gatte ihr zu machen pflegte, wenn er penibel ihr Haushaltsbuch nachrechnete. Eigens deswegen mußte sie Posten erfinden wie ›Allgemeines‹ oder ›Gewürze und sonstiges‹, und weil er sich dann prompt erkundigte, was ›Sonstiges‹ und ›Allgemeines‹ bedeuten solle, nahm sie stinkende Rache. Knulle warf die Brote in die Schublade, wo sie still vor sich hin waberten, und stürzte in den Raum, in dem die Stenotypistinnen saßen.
Aha, Fräulein Silbereisen, eine junge, aber nicht sehr hübsche Person, hatte gerade eine Pause eingelegt und trug mit einem breiten Pinsel ihr neues Rouge ›Appleblossom‹ auf die Wangen, wobei sie
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