Der Geheimtip
in den kleinen Spiegel in ihrer Linken guckte und die Backen einzog, um so die richtige Schattenpartie für das Rouge zu markieren.
»Fräulein Silberstein«, sagte Knulle und bemühte sich um einen möglichst schneidenden Tonfall, »Sie wollen hoffentlich nicht eine Laufbahn als Clown einschlagen, das wäre ein unersetzlicher Verlust für unsere Firma!«
Sieben Jahre Wilma-Luise, Kümmelharzer und Anpfiff vom Chef ließen seine Stimme drohend vibrieren. So, das hatte gesessen. Schließlich war man nicht der Fußabtreter für alle Leute. Druck und Ärger konnte man nach unten weitergeben. Und die Kleine hier würde es schon verwinden. Lehrgeld mußte schließlich jeder zahlen.
Fräulein Silbereisen errötete nun auch ohne ihr ›Appleblossom‹. Sie sah Knulle mit hochgezogenen Augenbrauen an und sagte cool und knallhart:
»Nun machen Sie sich mal keinen Fleck ins Hemd, Mister! Wischen Sie lieber den Kümmel vom Kinn!«
Alle Damen lachten. Knulle schnappte nach Luft. Er hätte gern geantwortet, doch er war sprachlos.
Diese jungen Dinger waren angezogen wie Babys, mit Strampelhosen und rosa oder hellblauen Strickjäckchen. Aber sie waren rotzfrech wie Oskar.
Er verließ den Stenotypistinnensaal als geschlagener Mann. Soviel stand fest: für Rüdiger Knulle war dies ein schwarzer Tag.
Daran änderte es auch nichts, daß er mit der Betriebspost eine bunte Karte aus Funchal auf Madeira bekam. Absender Egon Meier, der ankündigte, er habe schon ein kleines Mitbringsel für Knulle gekauft, über das er sich hoffentlich freuen werde.
Knulle hütete sich, etwas über die Karte verlauten zu lassen. Wenn schon die bloße Erwähnung von Meiers Namen den Alten so in Rage brachte, wie würde er da erst toben, wenn er von der Ansichtskarte erfuhr.
Meier war irgendwie ins Fettnäpfchen getreten, da kannte man ihn besser gar nicht. Und bekam auf keinen Fall Post von ihm.
7
Meier war in Silvas Armen erwacht. Sie hatte ihn angelächelt und ihm einen glücklichen Morgen gewünscht.
O ja, Egon war glücklich. Diese Begegnung war ein Wunder. Aber andererseits war Aberlingen die Wirklichkeit. Der Musterkoffer schwirrte wer weiß wo in der Welt umher. Das Geschäft geplatzt, die Verhandlungspartner sauer.
»Du siehst traurig aus. Was bedrückt dich, Liebster?« fragte Silva.
»Ich muß etwas wegen der Alarmgeräte unternehmen. Verstehst du das, Liebling? Ich hatte da ein bißchen die Beherrschung verloren. Vielleicht kam es durch die Klimaumstellung«, sagte Egon.
»Weißt du was? Ich mache dir einen Vorschlag. Wir fahren nach Semlona. Mit meinem Auto. Deins lassen wir erst einmal hier stehen. In Semlona telefoniere ich mal mit Pallando und auch mit dem Sekretär für Handel und Finanzen.« Hier hätte Silva am liebsten laut gelacht, wenn sie an Papas dummes Gesicht bei ihrem Anruf dachte.
Sie fuhr fort: »Ich kann vorfühlen, wie die Stimmung ist, und schon eine Besprechung verabreden, wenn ich merke, daß es Zweck hat. Erstens kann ich portugiesisch und höre folglich besser als du die Feinheiten heraus. Zweitens sind Frauen gute Diplomaten. Drittens kenne ich die hiesige Mentalität besser als du. Vertraust du mir, Liebster?«
Egon brauchte nicht zu überlegen.
»Das willst du wirklich tun? Das ist wunderbar. Natürlich vertraue ich dir. Vielleicht ist ja noch nicht alles verloren.«
»Aber bestimmt nicht!«
Es dauerte noch eine Weile, bis sie aufbrachen, weil sie sich noch ausgiebig küssen mußten. Silva band ihrem Egon den rosa Schal um den Hals. Sein Lavendeljackett war dank der geschickten Aufhängung am Heurechen wieder in Form getrocknet.
Endlich starteten sie. Silva saß am Steuer, und Egon legte ihr die Hand aufs Knie.
Semlona war ein winziger Ort bei Funchal. Fast wie eine Vorstadt, wie etwa Nippes von Köln oder Dahlem von Berlin oder Gauting von München. Nur daß Semlona auf der anderen Seite des Berges lag, den Funchal emporkletterte. Doch das erhöhte den Reiz dieses Dörfchens, das davon lebte, daß Fremde und Einheimische sich in den vielen Tabernen betranken und viele Escudos in den Kassen ließen.
Semlona hatte auch eine Berühmtheit. Es war Pedro Pappali. Nicht daß sein Name so klangvoll und kindertümlich klang, lockte die Leute an, sondern daß es in seinem Restaurant einen schönen Saal gab. In diesem Saal traten nämlich ab und zu international bekannte Künstler auf und weckten Semlona aus Dornröschenschlaf und Anonymität. Manchmal kam sogar das Fernsehen!
Das vergaßen die Semlonaer
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