Der gehetzte Amerikaner
den Bürgersteig, mit der offensichtlichen
Absicht, ihn an der Wand wie eine Fliege zu zerquetschen.
Brady sprang zur Seite, klammerte sich an der Spitze
des Geländers fest und zog die Beine an. Irgend etwas schien ihn
am Mantel zu zupfen; dann war der Mercedes wieder auf der Straße
und kam mit kreischenden Bremsen zum Stehen. Als er wenden wollte,
ließ sich Brady wieder auf den Bürgersteig fallen, drehte
sich um und rannte los.
Hinter ihm quietschten wieder Reifen auf; ein starker
Lichtfinger griff nach ihm und warf einen riesigen Schatten gegen die
Ziegelwand vor ihm. Offensichtlich gab es für ihn keinen Ausweg.
Verzweifelt drehte er wieder um und bemerkte in letzter Minute eine
kleine Öffnung zur Linken. Er hatte sie kaum erreicht, als der
Wagen wieder zum Stehen kam.
Brady befand sich im Eingang zu einem schmalen,
steingepflasterten Fußweg, der zwischen hohen Mauern entlanglief
und auf der Hälfte durch eine altmodische, an eine Mauer
geschmiedete Gaslaterne erleuchtet war.
Die Wagentür wurde zugeschlagen; Brady trat
zurück in den Schatten und wartete. Ein Mann kam heran und blieb
nur wenige Meter von ihm entfernt stehen. Das Licht der Laterne drang
bis zum Eingang des Fußweges und glitzerte auf der Brille unter
dem Homburg.
Der Kragen seines schweren Mantels war
hochgeschlagen und verdeckte sein Gesicht, aber seine Zähne waren
durch ein freundliches Lächeln entblößt, und mit seiner
leicht lispelnden Sprechweise rief der Fremde: »Lassen Sie uns
mal vernünftig miteinander reden, Brady.«
»Ganz meiner Meinung«, entgegnete Brady.
»Wer zum Kuckuck sind Sie eigentlich? Etwa Anton Haras?«
Der Mann lachte kalt auf und hob seine rechte Hand
empor. Brady duckte sich blitzschnell, während eine Stichflamme in
der Dunkelheit aufzuckte. Ein schwacher Knall ertönte, und eine
Kugel spritzte in die Mauer hinter ihm.
Brady hatte einmal in einem Café in Havanna
kurz vor dem Castro-Regime erlebt, wie ein Mann an einem Nebentisch
ermordet wurde. Der Mörder hatte eine Pistole mit
Schalldämpfer benutzt, und der Knall des Schusses hatte ebenso
gedämpft geklungen wie jetzt. Brady drehte sich um und rannte, den
Blick fest auf die Gaslaterne gerichtet, davon.
Hinter ihm erklangen hastige Schritte auf dem
Pflaster, deren Echo von den Wänden widerhallte; dann ertönte
wieder das gedämpfte Husten der Pistole, und eine Kugel
zwitscherte an Bradys Ohr vorbei.
Brady stolperte und fiel auf die Knie; dabei
berührten seine Finger einen großen Stein. Er richtete sich
wieder auf, schleuderte den Stein gegen die Gaslampe, und als diese
klirrend zerbrach, lag der Fußweg mit einem Schlag im Dunkeln.
Dann rannte Brady weiter.
Er stieß wieder auf die kleine Allee neben dem
»Hippodrom«Theater, die sich als eine Sackgasse
herausstellte. Wenige Meter zur Linken befand sich der
Bühneneingang, über dem eine kleine Lampe brannte.
Als Brady auf die Tür zurannte, öffnete sie
sich, und eine Frau trat heraus. Sie trug eine kleine Handtasche und
wollte sich gerade umdrehen, um die Tür zu schließen. Auf
den schlüpfrigen Steinen kam Brady ins Rutschen und taumelte l
gegen eine übervolle Mülltonne, deren Inhalt klappernd auf
die Erde fiel.
Die Frau drehte sich erschreckt um, und Brady starrte in das
weiße, angstverzerrte Gesicht von Anne Dunning.
»Haben Sie keine Angst!« stieß er keuchend hervor.
Der Schrei erstarb in ihrer Kehle, und sie blickte ihn nur mit weitaufgerissenen Augen an.
»Das begreife ich nicht… Mr. Brady! Hat man Sie denn entlassen?«
Ein kleiner, gedämpfter Knall unterbrach ihre
Unterhaltung, und die Lampe über der Tür zersplitterte. Brady
konnte gerade noch erkennen, daß Haras in der Einmündung des
Fußweges stand.
Brady stieß die Tür des Bühneneingangs wieder auf und drängte Anne Dunning hinein.
»Wir haben jetzt keine Zeit für lange
Erklärungen!« rief er dabei. »Da draußen der
Kerl mit seiner Pistole tut, was er kann, um mich
umzulegen…!«
Sie liefen einen Korridor entlang, doch hinter ihnen wurde die Tür aufgerissen, und Haras stürzte herein.
Brady blieb kurz stehen und packte das Mädchen am Arm.
»Wo geht es hier hin?« fragte er.
»Zu den Garderoben!«
Er zog sie eine Treppe zur Linken empor, und sie kamen
zu den Seitenräumen neben der Bühne. Wieder folgte ihnen
Haras, der für einen Mann seines Gewichtes erstaunlich schnell
war. Eine einzige Lampe erhellte die Bühne, und
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