Der Gejagte
zappelndes
Opfer zuzustürmen.
Doch sie würden zu spät kommen. Der Dämon hatte Abu Dun mit
der rechten Hand an der Kehle gepackt und drückte ihn so mühelos
gegen die Mauer, wie ein Erwachsener ein Kind festgehalten hätte.
Abu Dun wand und wehrte sich verzweifelt, doch all seine gewaltige
Kraft war gegen diesen unheimlichen Feind nutzlos. Ohne dass dieser seine Gegenwehr überhaupt zur Kenntnis zu nehmen schien,
zwang der Dämon Abu Duns Kopf immer weiter in den Nacken, bis
Andrej schon glaubte, er wolle ihm das Genick brechen. Stattdessen
jedoch riss er den Mund auf und Andrej sah zwei nadelspitze Raubtierfänge aufblitzen, die sich auf Abu Duns Halsschlagader herabsenkten.
Er war nur drei oder vier Schritte entfernt, dennoch wusste er, dass
er seinem Freund nicht rechtzeitig zu Hilfe kommen konnte. Er ahnte, dass es nichts mehr nutzen würde, den Dämon von seinem Opfer
fortzureißen, sobald sich seine Zähne erst einmal in Abu Duns
Fleisch gebohrt hatten, und so setzte er alles auf eine Karte. Mit aller
Kraft schleuderte er sein Schwert. Der Wurf war schlecht gezielt und
viel zu hastig. Statt sich, wie beabsichtigt, mit der Spitze in den Hals
des Dämons zu bohren, drehte sich das Schwert in der Luft und prallte mit dem stumpfen Knauf gegen die Schläfe des Unheimlichen.
Dennoch rettete sein Eingreifen Abu Dun das Leben. Der Wurf
konnte ein Wesen wie den Dämon nicht ernsthaft verletzen, aber der
Aufprall der schweren Klinge reichte aus, um ihn herumzureißen.
Seine tödlichen Fänge verfehlten Abu Duns Hals um Haaresbreite
und sein Schädel wurde mit solcher Wucht gegen die Wand geschmettert, dass ein schmieriger Blutfleck auf dem hellbraunen Stein
zurückblieb. Sein Griff lockerte sich kurz und mehr brauchte Abu
Dun nicht. Mit einem Wutschrei riss er sich los und versetzte dem
Dämon einen Faustschlag ins Gesicht, der ihn haltlos zurück - und
direkt in Andrejs Arme taumeln ließ.
Andrej beging nicht denselben Fehler wie Abu Dun bei ihrem ersten Zusammentreffen mit dem Dämon. Er versuchte nicht, ihn mit
den Armen zu umschlingen und festzuhalten, sondern griff unter seinen Achseln hindurch, verschränkte die Hände in seinem Nacken
und drückte den Kopf der unheimlichen Kreatur mit aller Gewalt
nach unten. Gleichzeitig trat er dem Dämon in die Kniekehlen, sodass dieser mit einem wütenden Zischen auf die Knie herabsank.
Abu Dun stürmte heran, verschränkte die Hände ineinander und riss
beide Hände zu einem Schlag in die Höhe, der selbst diese Kreatur
auf der Stelle töten musste. Aber der Dämon warf in einer Bewegung, die ihm nicht hätte möglich sein dürfen, beide Arme in die
Luft, verdrehte Schultern und Nacken und war plötzlich frei, so als
hätten sich seine Knochen in weiches Tauwerk verwandelt, das er
nach Belieben biegen und drehen konnte. Andrej verlor das Gleichgewicht und fiel der Länge nach hin. Er sah aus den Augenwinkeln,
wie Abu Dun ins Leere stürmte und ins Stolpern geriet, als der Dämon mit einer fließenden Bewegung wieder in die Höhe kam. Dann
traf ihn ein Tritt in den Leib, der ihm fast das Bewusstsein raubte,
und auch Abu Dun keuchte vor Schmerz auf. Nur einen Moment
später hörte Andrej das dumpfe Geräusch, mit dem sein Freund neben ihm auf dem Boden aufschlug.
Andrej kämpfte gegen eine Ohnmacht an. Nicht etwa weil der Dämon ihn verletzt hätte. Andrej war schon härter getroffen worden und
der Fußtritt hatte ihm nicht einmal eine Rippe gebrochen. Es war, als
hätte ihn allein die Berührung der Bestie einen Großteil seiner Kraft
gekostet. Er fühlte sich leer, so schwach und hilflos wie ein neugeborenes Kind, und das Gefühl wurde immer schlimmer. Was immer der
Dämon auch war, seine bloße Berührung hatte eine Wunde in Andrejs Seele aufgerissen, durch die seine Lebenskraft schneller und
schneller zu entweichen schien. Nur mit größter Willensanstrengung
gelang es ihm, die Dunkelheit niederzukämpfen, die seine Gedanken
zu verschlingen drohte, und sich in die Höhe zu stemmen. Alles
drehte sich um ihn. Es war schon anstrengend, nur die Augen zu öffnen.
Andrej war davon überzeugt, dass nur wenige Sekunden vergangen
sein konnten, doch anscheinend hatte sein Schwächeanfall länger
gedauert, denn das Gesicht, das besorgt und erschrocken auf ihn herabblickte, gehörte niemand anderem als Oliver Starkey. Ein Dutzend
Soldaten, die mit gezogenen Schwertern einen undurchdringlichen
Kordon rings um sie herum bildeten, schirmte sie
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