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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Starkey.
»Das würde…«, begann Andrej, wurde aber sofort von Starkey unterbrochen.
»Überleg es dir«, sagte der Engländer ernst. »Wenn dir dein Freund
etwas bedeutet - und diese Frau und ihr Kind -, dann solltest du mit
ihm reden. Unser Angebot ist ehrlich gemeint. Noch in derselben
Stunde, in der wir den Dämon fassen, wird ein Boot bereitstehen, um
die Frau und ihren Sohn von dieser Insel fortzubringen. Und auch
euch, wenn ihr das wollt.«
Andrej wollte empört widersprechen, doch stattdessen sah er den
Engländer nur einen Moment lang betroffen an. So ungern er es zugab: Starkey hatte Recht. Julias Leben zu retten und einen Weg zu
finden, um sie von hier fortzuschaffen, das war vielleicht der letzte
Dienst, den Abu Dun und er ihr noch erweisen konnten.
»Ich werde es versuchen«, sagte er. »Aber ich kann nichts versprechen.«
»Mehr erwarte ich auch nicht«, sagte Starkey. »Dann geh hinaus
und rede mit deinem Freund. Ich weiß nicht, was zwischen ihm und
Julia vorgefallen ist, aber sie will ihn nicht sehen. So wenig wie
dich.«
Andrej ignorierte die Frage, die sich hinter diesen Worten verbarg,
und folgte Pedro hinaus auf die Straße.
Nach dem Halbdunkel und den trotz allem noch gemäßigten Temperaturen im Inneren des Hauses traf ihn die erstickende Glut wie ein
Schlag ins Gesicht. Nachdem der Wind aufgehört hatte, vom Meer
her zu wehen, schienen die Temperaturen buchstäblich mit jeder Minute weiter anzusteigen. Das grelle Licht stach ihn wie mit Messern
in seine empfindlichen Augen und die Luft, die er atmete, kam ihm
vor wie flüssiges Pech. Selbst das Schwert, das er am Gürtel trug,
schien ihm mit einem Male doppelt so schwer zu sein wie noch am
Morgen. Wie sich all die Soldaten ringsum in ihren zentnerschweren
Rüstungen überhaupt noch bewegen konnten, war ihm ein Rätsel.
Wieder fuhr er sich mit dem Handrücken über die Augen, aber das
Brennen wurde eher noch schlimmer. Es war beileibe nicht das erste
Mal, dass er mehr als einen Tag lang ohne Schlaf auskommen musste, und normalerweise machte ihm das nicht besonders viel aus.
Doch seit sein unheimlicher Verfolger auf dieser Insel aufgetaucht
war, schien nichts mehr normal zu sein.
Er entdeckte Abu Dun und Pedro nur wenige Schritte entfernt im
Schatten der nächsten Häuser. Abu Dun hatte sich auf das rechte
Knie herabgelassen und den Arm locker auf das andere Knie aufgelegt, sodass sich sein Gesicht nun auf gleicher Höhe mit dem des
Jungen befand. Obwohl er zu weit entfernt war, um verstehen zu
können, worüber die beiden sprachen, spürte Andrej doch den Ernst
ihrer Unterredung. Er ging langsam weiter, da er plötzlich das Gefühl
hatte, sich nicht in diese Unterhaltung einmischen zu dürfen. Abu
Dun und der Junge waren ganz allein. Die Soldaten, die Starkey und
den Großmeister begleitet hatten, hatten sich respektvoll ein gutes
Stück zurückgezogen, und auch von den Bewohnern der Häuser war
nichts zu sehen, wenn die Straße ansonsten auch genauso überfüllt
war wie alle anderen in der Stadt.
Andrej machte zwei zögerliche Schritte und blieb wieder stehen. Im
selben Moment, in dem Abu Duns Kopf mit einem Ruck in den Nacken flog und er nach seinem Säbel griff, spürte er es auch. Der Dämon war da. Seine Präsenz war so deutlich, als stünde er unmittelbar
hinter ihm. Gleich darauf tauchte er tatsächlich wie aus dem Nichts
auf - ein Gespenst, das die Schatten ausgespien hatten.
Nur dass er nicht hinter Andrej erschien, sondern unmittelbar vor
Abu Dun.
»Abu Dun! Pass auf!«, schrie Andrej. Gleichzeitig riss er das
Schwert aus dem Gürtel und stürmte los. Auch Abu Dun sprang mit
einer blitzschnellen Bewegung auf die Füße und zog seine Waffe.
Dennoch war er nicht schnell genug. Der Dämon war nicht nur so
lautlos und unheimlich wie ein Schatten aufgetaucht, er war auch
ebenso schnell. Mit einem einzigen beiläufig wirkenden Hieb
schleuderte er Pedro beiseite, packte mit der anderen Hand Abu Duns
hochgerissenen Schwertarm und hielt ihn mühelos fest. Dann
schmetterte er den Nubier gegen die Wand des Hauses, verdrehte
sein Handgelenk mit einem kurzen, harten Ruck, sodass Andrej das
Geräusch brechender Knochen hören konnte, und stieß Abu Duns
Säbel beiseite, als die Klinge zu Boden fiel. Überall rings um sie
herum gellten Schreie auf. Menschen flüchteten in Panik, aber zumindest zwei von Starkeys Soldaten waren kaltblütig genug, ihre
Waffen zu ziehen und auf den Dämon und sein hilflos

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