Der Gejagte
es angenehm kühl. Die massiven goldbraunen Felsblöcke reflektierten die Hitze und hielten die gewölbten
Gänge angenehm temperiert, während draußen die Festungsmauern
in der Frühlingssonne glühten, obwohl die heißeste Zeit des Tages
bereits vorüber war. Eine breite Treppe führte vorbei an mit Trophäen geschmückten Wänden hinauf zum Kapitelsaal, dem Zentrum der
Festung.
Vor den Eichentüren des Saales war eine Anzahl Ritter in prächtigen Gewändern versammelt, dazu kamen einige Geistliche und etwas
schlichter gekleidete Männer. Es war das Sacrum Konsilium, der
Oberste Rat: die Piliers, die den Rittern der acht Ordensprovinzen
vorstanden, der Bischof des Ordens, der Prior der Konventskirche,
die Großkreuzinhaber und einige hohe Verwaltungsbeamte - kurz
gesagt, jeder, der auf Malta Rang und Namen hatte. Erfahrene Männer, abgehärtet im jahrelangen Dienst auf den Galeeren und auf diesem felsigen Eiland. Männer, die dieses erbarmungslose Leben freiwillig auf sich nahmen, ja, als Privileg betrachteten und die häufig
jedwede Freude oder Annehmlichkeit für sündig hielten.
Zwar hatten sich selbst die Hartnäckigsten unter ihnen dem veränderten Zeitgeist widerwillig gebeugt, aber Andrej wusste, dass nicht
wenige dieser Männer noch immer anders dachten. Es waren harte
Männer - hart gegen sich selbst, aber auch gegen andere. Bei der
Vorstellung, dass sie es waren, die gemeinsam mit dem Großmeister
über die Geschicke des Ordens - und damit über die der gesamten
Insel - entschieden, lief Andrej ein eisiges Frösteln über den Rücken.
Flüchtig fragte er sich, warum Abu Dun und er überhaupt zurückgekommen waren. Aber natürlich kannte er die Antwort.
Anscheinend hatte er sich nicht so gut in der Gewalt, wie er geglaubt hatte, denn die Freude auf den Gesichtern der Versammelten
hielt sich sichtlich in Grenzen. Nur wenige schenkten ihm ein angedeutetes Kopfnicken. Die meisten maßen ihn mit abfälligen, wenn
nicht offen feindseligen Blicken. Andrej wusste nur zu gut, wie unbeliebt er bei den Mitgliedern des Rats war. Sie sahen in ihm einen
Protege des Großmeisters, einen Ritter von zweifelhafter Herkunft
mit noch zweifelhafterem Stammbaum, der in nur wenigen Jahren
einen atemberaubenden Aufstieg innerhalb der Hierarchie des Ordens gemacht hatte. Er hatte den Eindruck, dass nicht wenige der Verteidiger des wahren Glaubens den Neid aus der Liste der sieben
Todsünden gestrichen hatten.
Vor ihm tat sich eine Gasse zwischen den Würdenträgern auf,
schnell, aber dennoch eine Winzigkeit zu langsam, um wirklich respektvoll zu wirken. Nur unmittelbar vor der Tür zum Kapitelsaal
selbst blieb einer der Ritter stehen und blickte Andrej trotzig entgegen. Er trug einen Kürass, den das Tatzenkreuz des Ordens schmückte. Seine Kleider waren abgewetzt, die Federn an seinem breitkrempigen Hut vom Winde zerzaust. Die tiefen Kerben auf dem Korb
seines Rapiers verrieten, dass die Waffe an seiner Seite mehr als nur
ritterlicher Schmuck war. Der stämmige Bursche mit seinem Stiernacken, dem breiten Gesicht, das von einem struppigen schwarzen Bart
eingefasst war, in dem sich bereits die ersten grauen Strähnen zeigten, und mit den stechenden dunklen Augen, die so leblos schienen
wie polierte Glaskugeln, war Mathurin Lescat de Romegas, der berühmteste unter den Kapitänen des Ordens und zugleich Kommandant der kleinen, aber schlagkräftigen Johanniter-Flotte.
»Der Großmeister erwartet dich«, knurrte der Seemann, ohne sich
mit etwas so Überflüssigem wie einer Begrüßung oder gar der Frage
nach Andrejs Befinden aufzuhalten. »Er will allein mit dir sprechen.«
Ihn zu duzen und ihm damit die Anrede zu verweigern, die einem
Ritter zustand, war eine unverhohlene Beleidigung, die Andrej aber
geflissentlich überhörte.
Nur sehr wenige Männer dort waren seine Freunde, aber Romegas
gehörte zu Andrejs ärgsten Widersachern in der Ritterschaft. Der
Kapitän hatte trotz seiner adligen Herkunft als einfacher Matrose
angefangen und sich sein Kapitänspatent verdient. Seinen legendären
Ruf hatte er sich über viele Jahre hinweg erworben, in denen er zahllose Male sein Leben und das seiner Männer für den Orden aufs
Spiel gesetzt hatte. In gewisser Weise konnte Andrej den Ärger des
Mannes sogar verstehen. In seinen Augen musste er, Andrej, all das
symbolisieren, was dieser aus tiefstem Herzen verabscheute. Immerhin machte Romegas keinen Hehl aus seinen wahren Gefühlen. Andrej konnte
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