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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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laufen ließ.
    »Wer sagt das?«, fragte er.
»Alle«, antwortete Pedro. »Jeder weiß, dass die Türken kommen.«
Andrej warf Abu Dun einen raschen, nicht besonders freundlichen
    Blick zu. Aber der Nubier reagierte darauf nur mit einem angedeuteten Kopfschütteln, und Andrej las in seinen Augen, dass er die
Wahrheit sagte. Er hätte sich auch kaum denken können, dass Abu
Dun die erstbeste Gelegenheit nach seiner Heimkehr nutzen würde,
um seinen Ziehsohn mit schlimmen Neuigkeiten in Todesangst zu
versetzen. Der Nubier liebte den Jungen, als wäre er sein eigenes
Kind.
    »Ach, alle sagen das«, bemerkte er schließlich. »Weißt du… es ist
so eine Sache mit dem, was alle sagen. Wenn man genauer hinhört
oder nachfragt, dann stellt sich nur zu oft heraus, dass es am Ende niemand gesagt hat.«
    »Aber es ist doch eine große Flotte…«
»Genug jetzt!« Julias Stimme war nicht besonders laut oder scharf,
aber sie verriet jene besondere Art von Autorität, wie sie nur Müttern
oder seit Jahrzehnten verheirateten Ehefrauen zu Eigen ist und der
sich niemand zu widersetzen wagt.
    Pedro verstummte prompt und senkte hastig den Blick, während
Abu Dun erschrocken aufsprang und ihr dabei half, den schweren
gusseisernen Topf auf den Tisch zu stellen, den sie von der Feuerstelle gehoben hatte. Andrej wusste nicht, was er enthielt, aber was
immer es war, es duftete köstlich. Nicht zum ersten Mal fragte er
sich, ob Abu Dun sich der verwitweten Schönheit nicht hauptsächlich wegen ihrer Kochkünste angenommen hatte.
    »Wartet«, sagte er rasch. »Ich helfe euch.« Er wollte aufspringen,
aber Julia schüttelte so energisch den Kopf, dass er mitten in der Bewegung innehielt und sich wieder zurücksinken ließ.
    »Nichts da«, sagte sie bestimmt. »Ihr seid unser Gast, hoher Herr.
Bei uns ist es nicht üblich, dass man Freunde zum Essen einlädt und
sie dann arbeiten lässt. Außerdem ist der Topf nicht schwer. Wenigstens nicht für einen kräftigen Burschen, der eigentlich Zeit genug
hatte, um sich zu erholen«, fügte sie mit einem bezeichnenden Blick
in Abu Duns Richtung hinzu. Der nubische Riese grinste, war aber
klug genug, nicht darauf zu antworten, sondern wuchtete den schweren Topf mit nur einer Hand in die Mitte des Tisches und ließ sich
dann mit einem übertrieben erschöpften Seufzer wieder zurück auf
den Stuhl sinken, der unter seinem Gewicht hörbar ächzte, während
Julia Teller und Besteck verteilte, die von schlichter, aber guter Qualität waren - wie überhaupt alles in diesem Haus.
    Andrej war überrascht gewesen, als er nun zum ersten Mal in das
kleine Haus gekommen war, in dem Abu Dun mit seiner Familie
lebte. Die zwei Wochen, die sie auf dem winzigen Boot zusammen
verbracht hatten, mit keiner anderen Gesellschaft als sich selbst, dem
Ozean und dem stets gleichen Horizont, hatten Abu Dun mehr als
genug Gelegenheit gegeben, ihn zu sich einzuladen, und Andrej mehr
als genug Gelegenheit, diese Einladungen höflich, aber bestimmt
abzulehnen. Er kannte Julia und ihren Sohn. Immerhin lebte Abu
Dun mittlerweile seit mehr als einem Jahr mit den beiden zusammen,
und es blieb nicht aus, dass sie sich dann und wann einmal begegneten. Bisher aber hatte er Abu Duns Einladungen, ihn bei sich in seinem neuen Zuhause zu besuchen, beharrlich abgelehnt.
    Er wusste, dass die junge Witwe ohnehin schon mehr als genug
darunter zu leiden hatte, dass sie mit dem riesigen Nubier zusammenlebte. Abu Dun hatte sicherlich mehr als einmal unter Beweis gestellt, welcher Seite seine Sympathien galten, und es gab niemanden
auf Malta - nicht einmal unter den Johannitern, die keinen Hehl aus
ihrer Abneigung gegen ihn machten -, der ihm fehlende Loyalität
unterstellt hätte. Dennoch blieb er Muselman - wenn auch einer, von
dem jeder wusste, dass er den Türken den Tod geschworen hatte -
und damit Todfeind eines jeden aufrechten Christen.

Die Einwohner von Birgu hatten es zu Andrejs Überraschung akzeptiert, dass sich Julia nach dem Tod ihres Mannes mit dem Nubier
zusammengetan hatte. Aber Andrej wollte dieses empfindliche
Gleichgewicht nicht noch zusätzlich damit belasten, dass er, ein Johanniter und somit Angehöriger einer Gruppe, die von den ursprünglichen Bewohnern Maltas trotz der Zeit, die inzwischen vergangen
war, noch immer als Besatzungsmacht angesehen und wegen ihrer
Arroganz gehasst wurde, dort ein und aus ging. Deswegen hatte er
sowohl dieses Haus als auch diesen Teil der Stadt stets

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