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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorwurfsvollen Blick in seine Richtung fort: »Und
dann sind da noch diverse Zusagen über Hilfstruppen. Der Papst will
uns unterstützen und auch die Städte Genua und Venedig. Dann der
spanische Vizekönig auf Sizilien. Er hat uns versprochen, in Kürze
tausend Soldaten zu schicken und bis zum Sommer mit einem spanischen Entsatzheer von fünfundzwanzigtausend Mann zu Hilfe zu
kommen. Wir müssten nur noch ein paar Wochen aushalten, und…«
»Verzeiht, Sir«, unterbrach ihn Andrej leise, aber in einem Ton, der
Starkey mitten im Satz abbrechen und erschrocken zu ihm aufsehen
ließ. »Ich fürchte, wir haben keine Wochen mehr. Um ehrlich zu
sein, ich war nicht einmal sicher, dass ich noch rechtzeitig hier eintreffe, um Euch zu warnen. Die Flotte ist gleichzeitig mit uns ausgelaufen.«
»Eine Flotte schwerfälliger Galeeren und noch schwerfälligerer Galeassen«, widersprach Starkey, »ist viel langsamer als Euer kleines
Segelboot.«
»Langsamer, ja«, sagte Andrej. »Viel langsamer, nein.«
»Dann müssen wir uns eben beeilen«, polterte Starkey. »Wir müssen Boten losschicken, die unsere so genannten Verbündeten an ihr
Wort erinnern. Noch heute! Der Vizekönig…«
»… ist weit weg«, fiel ihm La Valette ins Wort. Er klang müde, und
die Bewegung, mit der er den Kopf schüttelte, sah noch müder aus.
»Nein. Delãny hat Recht. Uns bleibt nicht mehr genug Zeit, um auf
Hilfe zu warten, und ich kann nicht alle Hoffnungen des Ordens auf
Versprechen gründen, die vermutlich ohnehin in dem Glauben abgegeben worden sind, dass sie nie eingelöst werden müssen.«
»Immerhin gehört der Sohn des Vizekönigs zu den Rittern hier auf
der Insel«, gab Starkey zu bedenken. Er sprach in gereiztem Ton, als
empfände er es als persönliche Schmach, dass sein Vorschlag kein
Gehör fand. »Uns im Stich zu lassen hieße, auch ihn im Stich zu lassen.«
»Vielleicht mag uns sein Versprechen nutzen, um den Fischern und
Bauern Mut zu machen, wenn die Türken vor unseren Mauern erscheinen«, sagte La Valette. »Bis es so weit ist, sollten wir jede
Stunde nutzen, um die Befestigungen zu verstärken. Außerdem sollen an alle Komtureien Briefe abgesandt werden. Wir brauchen jeden
Mann, der noch zu uns durchkommt, jedes Pulverhorn und jede
Musketenkugel.« Er dachte einen Moment angestrengt nach und
wandte sich dann mit energischer und kräftiger Stimme an Andrej.
»Chevalier de Delãny, holt die anderen Mitglieder des Rates herein.
Wir wollen gemeinsam planen, wie wir den Türken trotzen können.«
Es war unmöglich, dachte Andrej, und La Valette wusste das.
Trotzdem nickte er ergeben. Er hütete sich, laut zu widersprechen -
schon gar nicht in Starkeys Gegenwart. Wenn man den alten Großmeister ansah, dann mochte man tatsächlich glauben, dass er von
seinen eigenen Worten überzeugt war. Aber wie konnte eine Hand
voll Ritter und ein paar Fischer und Bauern ohne Kampferfahrung
gegen die Übermacht des Osmanischen Reiches bestehen? Es war
unmöglich.
Sie hatten keine Chance und jeder dort im Raum wusste das.
22. April 1565, abends. Abu Duns Haus, auf den Klippen von Birgu
    Die Sonne hatte das Meer im Westen noch nicht berührt, aber die
Schatten waren schon länger geworden und schienen das kleine Haus
hoch über den Klippen von allen Seiten zu bestürmen. Wenn man
nur lange genug hinsah, begann man Bewegung zu erkennen, wo
keine war - als werfe die Zukunft bereits ihre Schatten voraus. Abgesehen vom gleichmäßigen Rauschen der Wellen, die sich am Fuße
der Klippe brachen, war es fast vollkommen still - der Wind wehte
vom Meer her und trug alle Laute mit sich ins Landesinnere. Es
herrschte eine sonderbare Stimmung.
»Es wird eine große Schlacht geben, nicht wahr?«
    Andrej schrak aus seinen Gedanken hoch und blinzelte im ersten
Moment verständnislos ins Gesicht des vielleicht fünfzehnjährigen
dunkelhaarigen Jungen, der auf der anderen Seite des Tisches saß
und ihn erwartungsvoll anblickte. Und das wohl schon eine ganze
Weile. Wie lange saß er jetzt schon so da und starrte ins Leere? Zu
lange, offensichtlich.
    »Was hast du gesagt?«, fragte er. Er sah aus den Augenwinkeln,
wie Abu Dun unverschämt zu grinsen begann, verbat es sich aber
selbst, in die Richtung des Nubiers zu sehen.
    »Ich habe gesagt, dass es eine große Schlacht geben wird«, wiederholte Pedro. »Schon bald.« In seiner Stimme klang eine unangemessene Begeisterung mit, die Andrej einen kalten Schauer über den
Rücken

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