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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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respektvoll beiseite, als Andrej sich, ohne Romegas eines weiteren
Blickes zu würdigen, vom Ufer entfernte. Hier und da hörte er erstauntes Raunen. Dennoch senkte jeder, der seinem Blick begegnete,
rasch den Kopf oder tat so, als hätte er irgendwo anders etwas äußerst Interessantes entdeckt. Andrej fragte sich, welcher Ausdruck
sich wohl gerade auf seinen Zügen spiegeln musste.
Auch die Gaffer wichen vor ihm zurück, als er sich der Menge näherte, nur Abu Dun und Julia blieben stehen. Den Blick der jungen
Frau vermochte er nicht zu deuten. Abu Dun aber empfing ihn mit
dem breiten Grinsen eines Schuljungen, der gerade dabei zugesehen
hatte, wie sein Lehrer in den Schweinetrog gestürzt war.
»Das nenne ich eine Meisterleistung«, sagte er spöttisch.
»Was?«, fragte Andrej.
Abu Dun machte eine Handbewegung auf das Hafenbecken hinaus,
während er den anderen Arm mit einer beschützenden Geste um Julias Schulter legte. »Euer stolzestes Schiff zu versenken, ohne dass
auch nur ein einziger Schuss gefallen wäre«, antwortete er in unangemessen fröhlichem Ton. »Ihr Christen seid völlig verrückt, hat
euch das eigentlich schon mal jemand gesagt? Ihr beginnt damit,
euch selbst zu vernichten, bevor auch nur der erste Feind seinen Fuß
auf diese Insel gesetzt hat.« Er legte den Kopf zur Seite. »Vielleicht
sollte man der Flotte des Sultans eine Nachricht zukommen lassen.
Wenn sie noch ein paar Tage länger warten, können sie eine Menge
Pulver sparen. Dann gibt es hier nicht mehr viel, worauf es sich zu
schießen lohnt.«
»Mit solchen Bemerkungen solltest du besser vorsichtig sein«, gab
Andrej leise zurück. »Jedenfalls, solange wir nicht allein sind.«
»Ach ja, ich vergaß«, antwortete Abu Dun und grinste unerschütterlich weiter. »Du hast ja deine Verbündeten aus der Burg mitgebracht,
nicht wahr?«
Andrej fragte sich, ob Abu Dun nur gekommen war, um ihm auf die
Nerven zu gehen, doch er kam nicht dazu, diese Frage laut auszusprechen, denn in diesem Moment erklangen hinter ihm Schritte.
Noch während er sich umdrehte, sah er, wie Abu Duns Lächeln erlosch. Sein Verbündeter aus der Burg steuerte mit raschen Schritten
auf ihn zu, und auch dessen Gesichtsausdruck verdüsterte sich mit
jedem Schritt mehr, den er näher kam.
»Nun, Delãny?«, begann Romegas in höhnischem Ton und laut genug, damit alle ringsum seine Worte hören konnten. »Habt Ihr Euch
mit Eurem Mohrenfreund verabredet, um den Untergang der Flotte
zu feiern?«
Andrej bedachte ihn mit einem eisigen Blick, hütete sich aber, etwas darauf zu erwidern. Er hatte geglaubt, Romegas sei nur gekommen, um seinen Sieg zu feiern, doch eigentlich hätte er ihn besser
kennen und wissen müssen, dass ihm das längst nicht reichte. Er deutete ein Schulterzucken an und wandte sich dann wieder zu Abu Dun
und Julia um, wobei er dem Nubier einen beschwörenden Blick zuwarf, nichts zu sagen. La Valette selbst hatte den Befehl erteilt, dass
Abu Dun sich außerhalb der eigentlichen Festungsmauern überall auf
der Insel frei bewegen könne und wie ein Verbündeter und Freund zu
behandeln sei, aber La Valette war weit, und ein Unfall war schnell
passiert.
Zu seiner Erleichterung - und Überraschung - war Abu Dun klug
genug, sich von dem Johanniter nicht provozieren zu lassen. Er lächelte nur kühl und wandte sich dann mit einem verwirrten Blick an
Romegas.
»Ich war ein wenig erstaunt zu sehen, dass Ihr Eure eigenen Schiffe
versenkt«, sagte er. »Aber vielleicht verzeiht Ihr einem dummen
Mohren seine Unwissenheit. Sicher habt Ihr triftige Gründe für Euer
Tun, hoher Herr. Gründe, von denen ein ungebildeter Mann aus der
Wüste, wie ich es bin, nichts versteht.«
Der Nubier verbeugte sich bei diesen Worten übertrieben tief und
spöttisch vor Romegas. Dass sein schwarzer Mantel dabei auseinander klaffte und den Blick auf das gewaltige Krummschwert freigab,
das er darunter trug, war gewiss kein Zufall. Andrej nahm zurück,
was er soeben über Abu Duns Umsicht gedacht hatte.
Romegas’ Augen wurden noch schmaler. Die Soldaten, die ihn begleiteten, spannten ihre Muskeln an, ein paar Hände näherten sich
verstohlen den Waffen. Andrej musste sich nicht einmal umdrehen,
um das zu erkennen. Er konnte hören, wie sich die Männer hinter
ihm zum Kampf bereitmachten. Aber er konnte auch ihre Furcht riechen.
»Lass gut sein, Abu Dun«, sagte er laut. »Auch wenn ich es nicht
gerne zugebe - aber in diesem Fall hast du ausnahmsweise

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