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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Menschenmenge am Ufer
zu zerstreuen begonnen. Die Winden hatten ihre Arbeit längst erledigt, die Seile hingen schlaff ins Wasser. Einige Sklaven, misstrauisch bewacht von gut der doppelten Anzahl bewaffneter Soldaten,
hatten damit begonnen, die Taue mit großen Äxten zu kappen. Der
Rest befand sich schon wieder auf dem Rückweg in die Verliese der
Burg. Es gab nichts mehr zu sehen und somit auch nichts, was die
Neugierigen und Gaffer hielt. Abgesehen von den Soldaten und
Sklaven, bewegten sich ringsum vielleicht noch ein Dutzend Menschen, aber Pedro war nicht unter ihnen.
»Es ist immer dasselbe mit diesem Jungen«, seufzte Julia. »Kaum
lässt man ihn auch nur einen Moment aus den Augen, ist er schon
verschwunden oder stellt irgendeinen Unsinn an.«
»Ich werde ein ernstes Wort mit ihm reden«, versprach Abu Dun.
Julia sah nicht so aus, als könne sie dieses Versprechen sonderlich
beruhigen, also fügte der Nubier in zuversichtlichem Ton hinzu:
»Wahrscheinlich ist er längst wieder zu Hause und durchsucht deine
Speisekammer nach Süßigkeiten.«
»Oder er treibt sich irgendwo herum, wo er nicht sein sollte«, beharrte Julia.
Sie sah wütend aus, aber Andrej glaubte zu spüren, dass dieser Zorn
nur aufgesetzt war, um über die Sorge hinwegzutäuschen, die sie in
Wahrheit empfand. Er konnte sie gut verstehen. Es waren unruhige
Zeiten, in denen man sein Kind nicht gerne allein und unbeaufsichtigt auf den Straßen herumlaufen ließ. Auch wenn er sich hütete, sich
auch nur das Geringste anmerken zu lassen, so musste er sich im
Nachhinein doch eingestehen, dass Julia vielleicht Recht hatte. In der
Stimme des Jungen war etwas gewesen, das ihn hätte alarmieren sollen.
»Ich helfe euch gerne dabei, ihn zu suchen«, sagte er.
»Das wird nicht nötig sein«, antwortete Abu Dun. »Es ist wirklich
nicht das erste Mal, dass er sich herumtreibt. Wahrscheinlich ist er
längst wieder zu Hause, bis wir dort sind, und lacht sich im Stillen tot
über uns.« Er legte Julia die Hand wieder um die Schulter und deutete mit dem freien Arm zur Burg hinauf. »Du solltest lieber zu deinen
Ordensbrüdern zurückgehen, bevor dein Freund die Gelegenheit
beim Schöpfe ergreift und allen möglichen Unsinn darüber erzählt,
was du mit dem muselmanischen Spion zu bereden hattest.«
Andrej lächelte zwar, aber im Grunde fand er Abu Duns Worte
nicht sehr komisch. Nicht nur die politische und militärische Lage
auf der Insel war angespannt, sondern auch die Nerven der Ordensbrüder - umso mehr, je höher sie in der Hierarchie des Ordens standen. Romegas würde die Situation zweifellos für sich ausnutzen, und
wahrscheinlich tat er gut daran, ihm nicht zu viel Zeit dafür zu lassen. Trotzdem schüttelte er nach kurzem Nachdenken entschieden
den Kopf.
»Dann gehe ich wenigstens noch ein Stück mit euch«, sagte er.
»Der Weg ist ohnehin derselbe.«
Er konnte Abu Dun ansehen, dass er damit nicht glücklich war,
doch diesmal schluckte der Nubier seine Entgegnung herunter, drehte
sich schweigend um und ging los.
Julia streifte seinen Arm mit einer wie zufällig wirkenden Bewegung von der Schulter, griff aber gleich wieder nach seiner Hand und
hakte sich demonstrativ bei ihm unter. Sie waren nicht allein auf der
Kaimauer und Julia konnten die missbilligenden oder auch verächtlichen Blicke, die sie trafen, so wenig verborgen bleiben wie Abu Dun
oder Andrej, doch sie warf nur umso stolzer den Kopf in den Nacken.
Vom Kai aus stiegen sie eine steile, in den natürlich gewachsenen
Fels der Bucht hineingeschlagene Treppe nach oben, die zu einem
schmalen Streifen flachen Landes zwischen der Steilküste und der
Burg führte. Bis vor kurzem hatten sich die Ausläufer der Stadt bis
dorthin erstreckt. Nun umgaben sie nur noch flache Steinhaufen und
ein Gewirr aus verkohlten Balken und Trümmern. Obwohl es zwei
Tage her war, dass die Soldaten der Burg auf La Valettes Befehl hin
jedes Bauwerk zwischen der Küste und den Festungsmauern niedergerissen hatten, gleich, ob es sich um einen Schuppen, eine Werkstatt
oder ein Wohnhaus handelte, lag noch immer ein scharfer Brandgeruch in der Luft. Mochte es auch allen anderen entgehen, so
schmeckte Andrej doch immer noch das süßliche Aroma von Blut. Er
erkannte an dem Schatten, der über Abu Duns Gesicht huschte, dass
er es ebenfalls spürte. Es war menschliches Blut, das dort vergossen
worden war - nicht das Blut ihrer Feinde, sondern das der Männer,
die verzweifelt versucht

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