Der gekreuzigte Teufel
erschüttert.
Noch vor kurzem, als sie in Njeruca Fleisch aßen und Bier tranken, hätten sie die Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht gezogen, sich einem Zug barfüßiger, in Lumpen gekleideter Arbeiter anzuschließen, die mit Stöcken und Plakaten unterwegs waren, um die Höhle anzugreifen.
Aber nun hatten sie die Stimme eines Arbeiters gehört, der sie zu einer Entscheidung aufforderte - welcher Seite würden sie mit ihrem Wissen und ihrer Ausbildung dienen?
Noch vor kurzem waren sie der Meinung - obwohl das Gerede in der Höhle sie beide angewidert hatte -, diese Geschehnisse spielten sich in einer Welt ab, die mit ihrem Leben nichts zu tun hatte.
Aber nun hatten sie die Stimme eines Arbeiters gehört, der sie gerufen hatte und der ihnen sagte, daß niemand gleichzeitig zwei Herren dienen könne.
Noch vor kurzem hatten sie sich bei einem Tanz, den andere tanzten, für Zuschauer gehalten.
Aber nun hatten sie die Stimme eines Arbeiters gehört, der sie drängte, die Arena zu betreten, denn wenn der Tanz des Volkes getanzt werde, dürfe keiner am Rande stehen und nur zuschauen.
Gatuiria fragte sich: Auf wessen Seite stehen wir, die Arbeiter des Geistes? Stehen wir auf der Seite der wirklichen Produzenten oder auf der Seite jener, die von den Produkten anderer leben? Stehen wir auf der Seite der Arbeiter und Bauern oder auf derSeite der Ausbeuter? Oder gleichen wir gar der Hyäne, die versuchte, auf zwei verschiedenen Wegen gleichzeitig zu gehen?
Auch Wariinga bedrängten ähnliche Gefühle und Gedanken … Auf wessen Seite stehen wir Büroangestellte, Schreibkräfte und Sekretärinnen? Wir, die wir für Boss Kihara und seinesgleichen tippen und von ihm diktiert bekommen und stenographieren müssen - auf wessen Seite stehen wir in diesem Tanz? Stehen wir auf seiten der Arbeiter oder der Reichen? Wer sind wir eigentlich? Wer sind wir? Wie oft habe ich Frauen sagen hören: Unsere Firma hat dies und das getan! In unserer Firma sind so und so viele Arbeiter mit dem und dem Lohn beschäftigt! Unsere Gesellschaft arbeitet mit so und so viel Gewinn … und während sie das sagen, haben sie vielleicht keinen einzigen Cent für den Bus abends nach Hause in der Tasche … Ja, und schon öfters sind mir Mädchen begegnet, die pausenlos mit ihrem Chef angaben … Und wenn man dann genauer hinhört und wissen will, mit was sie eigentlich angeben, dann ist da überhaupt nichts. Ein paar hundert Shilling im Monat für eine Frau, die Kinder zu ernähren hat - und das nennen wir stolz ein Gehalt? Und für so wenig haben wir vier Dinge hergegeben:
– Unsere Hände: Ja, denn wir schreiben alles, was sie uns diktieren, und alle ihre Briefe; unsere Hände werden zu ihren Händen, unsere Kraft wird zu ihrer Kraft.
– Unseren Verstand: Ja, denn es gibt keinen Boss , der ein Mädchen mit eigenen Gedanken und einem unabhängigen Standpunkt will; kein Boss ist mit einer Sekretärin zufrieden, die Dinge in Frage stellt, oder mit einer Sekretärin, die die Augen aufhält und sieht, was Boss Kihara ihr antut! DER BOSS HAT IMMER RECHT. Verlagere deinen Verstand in die Hände oder unter die Gürtellinie!
– Unser Menschsein: Ja, denn Boss Kihara und seinesgleichen reagieren ihren Ärger an uns ab. Wenn sie sich zu Hause mit ihren Frauen streiten, bringen sie die Wut mit ins Büro; wenn im Geschäft etwas schiefläuft, laden sie ihren ganzen Zorn im Büro ab. Wir werden beleidigt, aber wir halten den Mund, ja, denn man erwartet von uns, daß unsere Herzen keiner Tränen fähig sind.
– Unseren Körper: Ja, denn außer ein paar Glücklichen können die meisten von uns nur Arbeit finden oder den Arbeitsplatz behalten, wenn wir Boss Kihara und seinesgleichen erlauben, unsere Schenkel anzufassen. Wir sind in der Tat ihre Ehefrauen … aber natürlich nicht ihre legalen Ehefrauen! Ja, Ehefrauen in einem BMW bei einem Wochenendausflug zum Schlachthaus! Es besteht immerhin ein Unterschied zwischen einer Ziege, die auf die Weide kommt, und einer Ziege, die fürs Schlachthaus bestimmt ist.
Wer sind wir eigentlich? Wer sind wir? Wer sind wir? Wariingas Herz klopfte und stellte Fragen, die ihr niemand beantworten konnte, denn die Fragen bedeuteten, daß sich der einzelne entscheiden mußte, auf welcher Seite er stehen würde!
4
Die ganze Höhle roch nach Feuer und Rauch, als Wariinga und Gatuiria dort ankamen. Das Gebäude war lückenlos von den Leuten aus Njeruca umstellt und sie sangen noch immer:
Kommt alle, kommt!
Seht, welch
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