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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Imperialismus und seine einheimischen Vertreter Feinde sind,
    Feinde des Fortschritts der Arbeiter und Bauern und der ganzen Nation.
    Darum will ich den Neokolonialismus bekämpfen,
    denn er ist der letzte hinterhältige Fußtritt
    eines sterbenden Imperialismus.
    Und nun wollen wir zusammen das Lied der Arbeiter singen!«
    Dann begann er zu singen, und alle anderen fielen ein; ihr Singen ließ für Wariinga die Erde erbeben. Während sie noch sangen, fühlte Wariinga, wie sie jemand von hinten am Kleidzupfte. Sie wandte sich schnell um, und als sie sah, daß es Muturi war, der sie rief, folgte sie ihm hinter die Höhle.
    »Hör zu«, fing Muturi unverzüglich an und schaute Wariinga unverwandt an, er blickte in ihre Augen, als könne er in allen verborgenen Ecken ihres Herzens lesen. »Kann ich dir bis morgen etwas anvertrauen?«
    »Was?« fragte Wariinga.
    »Eine Röhre, die tödliches Feuer und tödlichen Rauch spuckt!« sagte Muturi, und sein Blick ließ Wariinga nicht los.
    Warum eigentlich nicht, sagte sich Wariinga.
    »Ja, wenn du sie morgen wirklich wieder an dich nimmst!« antwortete Wariinga.
    »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, begann Muturi. »Ich habe dich von gestern abend an im Matatu und während des ganzen Tages in der Höhle beobachtet und beschlossen, daß man dir das Geheimnis eines Arbeiters anvertrauen kann. Gleich nachdem ich dich und Gatuiria dort am Straßenrand verließ, kam ich hierher und half den Leuten, die Diebe aus der Höhle zu jagen. Hast du gesehen, welche Kraft vom Volk ausgeht, wenn es einig ist? Die Diebe waren bewaffnet, aber keiner konnte seine Waffe benützen, weil sie vor den Blicken und dem tosenden Brüllen des Volkes tödliche Angst hatten. Kihaahu wa Gatheeca war der einzige, der auf mich zu schießen versuchte. Hier, wo wir jetzt gerade stehen, war ich hinter ihm her, aber ich war zu schnell für ihn und schlug auf seinen Arm, ehe er abdrücken konnte. Kihaahu schrie vor Schmerz, ließ die Pistole fallen, gab Fersengeld und flog wie ein Pfeil davon. Ich nahm die eiserne Röhre, mit der er mich hatte umbringen wollen. Hier ist sie. Sie ist so winzig, daß man sie sogar in der Hand oder in einer Hemdtasche verbergen kann … Schau, wie schön sie glänzt! Ein Arbeiter hat sie gemacht! Aber du weißt ja - sie dient nicht dazu, die Arbeiter zu verteidigen … Wir Arbeiter haben schon immer Dinge hergestellt, mit denen wir dann unterdrückt wurden! … Aber hier siehst du nun das Produkt aus der Hand eines Arbeiters wieder in seiner Hand … Solche eisernen Röhren in der Hand der Arbeiter retteten Kenia aus den Klauen des alten Kolonialismus … Auch heute sollten solche Waffen eigentlich für die Verteidigung der Einheit, des Reichtums und der Freiheit ihres Landes in der Hand der Arbeiter sein … Aber ich muß aufhören zu predigen … Heute abend wird wohl noch manches geschehen … es wirdnoch mehr Unruhen geben … Nimm diese Pistole. Steck sie in deine Handtasche … Morgen früh um zehn Uhr treffen wir uns wieder an der Bushaltestelle nach Nairobi … Und zeige sie niemand und erzähl auch niemand davon … Nicht einmal Gatuiria … diese gebildeten Leute sind sich manchmal nicht sicher, auf wessen Seite sie stehen … Sie schwanken hin und her wie Wasser auf einem Blatt … Geh nun … laß es dir gut gehen … Diese Waffe ist eine Einladung zum Fest der Arbeiter an einem Tag, der kommen wird …«
    Muturi gab Wariinga die Pistole und wollte weggehen. Wariinga spürte, wie eine seltsame Empfindung ihren ganzen Körper erfaßte. Ihr Herz bebte. Dann fühlte sie sich plötzlich mutig, so als gäbe es keine Gefahr der Welt, der sie nun nicht standhalten könnte; alle Ängste und Zweifel schienen durch das Geheimnis, das Muturi ihr anvertraut hatte, wie ausgelöscht. Sie dachte daran, ihn danach zu fragen oder ihm zu erzählen, wie er sie vor langer Zeit in Nakuru vor dem Tod unter den Rädern des Zuges bewahrt hatte. Aber dann kam ihr ein anderer Gedanke, und sie rief Muturi zurück. Er blieb stehen.
    »Etwas möchte ich noch gern wissen, bevor du weggehst!« begann Wariinga. »Wer bist du eigentlich?«
    »Ich?« erwiderte Muturi, »ich bin der Abgesandte einer geheimen Arbeiterorganisation in Nairobi … Aber versuche nicht, mehr zu erfahren … Wo immer ich bin, arbeite ich für die Organisation … Laß es dir gut gehen … und denk daran, du bist nicht allein …«
    Sie gingen auseinander.
    Wariinga ging zu Gatuiria zurück, aber nun hatte sie Muturis Geheimnis

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