Der gekreuzigte Teufel
Zeit vergrub sich Mwaura in seinem Kummer und sagte sich: Nun bin ich unablässig unterwegs und sehe die Früchte über meinem Kopf hängen; strecke ich jedoch den Arm aus und will sie pflücken, dann weichen sie zurück, so daß ich sie nicht mehr erreichen kann, selbst wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle!
Zu den Leuten pflegte Mwaura zu sagen: »Das Geld, das die Europäer hierher gebracht haben, übt einen ungeheuer schlechten Einfluß aus; ihr wißt ja, daß der Sohn Marias des Geldes wegen ans Kreuz geschlagen wurde, obwohl er der Erstgeborene des Gottes der Juden war — da gibt es nichts weiteres dazu zu sagen. Ich selbst würde sogar meine eigene Mutter verkaufen, wenn ich einen guten Preis für sie erzielen könnte!« Viele meinten, dies sei eitle Angeberei eines leichtherzigen Geschäftsmannes. Nur ein Mann wußte, daß Mwaura niemals scherzte, wenn es um Geld ging, aber der war nie mehr zurückgekehrt, um es den anderen zu erzählen. Er und Mwaura hatten sich um fünf Shilling gestritten. Der Mann hatte sich geweigert zu bezahlen und Mwaura sogar verhöhnt. »Du wirst immer wie ein Mistkäfer im regennassen Mist krabbeln, und du wirst niemals reich werden!« Mwaura erwiderte: »Du hast dich geweigert, die fünf Shilling zu bezahlen,obwohl du ganz genau weißt, daß wir uns auf einen Fahrpreis von 75 Shilling geeinigt hatten. Und das nur, weil ich noch zwei weitere Passagiere mitgenommen habe? Hast du für einen Sitzplatz bezahlt, oder für den ganzen Wagen? Ich warne dich davor, dich mit meinem Geld davonzumachen. Der Mwaura, den du vor dir siehst, ist nicht wie ein Buschmesser, das nur eine scharfe Schneide hat!«
Eines Morgens wurde der Mann in seinem Haus erhängt aufgefunden. Neben ihm lag ein Stück Papier mit den flüchtig geschriebenen Worten: SPIELE NIEMALS MIT DEM EIGENTUM ANDERER - DEVIL'S ANGELS, PRIVATUNTERNEHMEN.
Aber am bekanntesten war Mwaura als Fahrer des Matatu Matata Matamu Ford T Nr. 333.
3
Jeder Baum ist einem müden Vogel recht, heißt es in einem Sprichwort. Als Wariinga sah, daß es keine andere Fahrgelegenheit nach Ilmorog gab, stieg sie ein. Und als Mwaura sah, daß Wariinga einstieg, schmückte er sein Lied und seine Worte schnell noch etwas aus:
Schönes Mädchen, sollte ich dich um eines bitten,
So entgegne mir nicht, du könntest schwanger werden;
Ich weiß nämlich, wie man ein Motorrad zügelt,
Meinst du, dich könnte ich nicht auch zügeln?
Er machte eine Pause. Er seufzte tief. Er warf einen Blick auf die ihn umringenden Menschen. Die Hände in die Seite gestemmt, lächelte er sie an. Dann schüttelte er den Kopf und sagte: »Einen Faulenzer bremsen falsche Bremsen! Es gibt keine Bremsen, die sich an Kraft mit jenen des Matatu Matata Matamu Ford T messen könnten …«
Die Leute bogen sich vor Lachen und pfiffen vor Vergnügen. Mwaura bemühte sich weiter lautstark um mehr Fahrgäste. »… Limuru, Naivasha, Ruuwa-ini, Ilmorog, es geht los! Denkt daran: Eure Wege sind meine Wege …«
An jenem Samstag hatte Mwaura schon mehrere Male die Straße Nairobi—Limuru abgefahren, ohne jedoch genug Reisende aufzusammeln, um wenigstens die Benzinkosten decken zu können. Gegen Abend beschloß er, nach Nyamakima zu fahren in der Hoffnung, dort vielleicht noch einige Fahrgäste zu finden, die ihm das Benzin nach Ilmorog einbringen würden. Deshalb umwarb er jetzt mit so viel Nachdruck alle Umstehenden:
»Vergeßt eines nicht — dies ist euer Land, dies hier ist euer Matatu! All die Peugeots, die Sprünge auf der Straße machen und unseren Frauen Fehlgeburten verursachen, könnt ihr vergessen! Wer langsam fährt, kommt auch ans Ziel …«
Noch ein Fahrgast stieg ein. Er trug einen blauen Arbeitsanzug (Hemd und Hose an einem Stück), der an Ellbogen und Knien durchgescheuert war. Grauer Staub bedeckte seine Schuhe. Er nahm Wariinga gegenüber Platz. Mwaura stieg auch ein, setzte sich auf den Fahrersitz, startete den Motor, ließ ihn weiterlaufen und ging dann wieder hinaus. Er hatte das Gefühl, daß auch diese Fahrt nicht zustande kam. Nur zwei Fahrgäste!
Irritiert fragte er sich: Werde ich wirklich wie ein blökendes Schaf einmal sterben müssen? Werde ich nie den Augenblick erleben, wo ich, wie andere auch, ein neues Auto fahre? An einem Tag wie heute werden Leute mit Schubkarren und Eselskarren oder die Schuhputzjungen, oder die Maisröster, oder jene, die an der Straße den Touristen Kaninchen und Früchte und Schaffelle verkaufen, mehr Geld nach Hause
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