Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
an den Überfall auf der Reise nach Metz und Chilperichs plötzliches Auftauchen gedacht. „Du hast die Frechheit besessen, mich entführen zu wollen! Warum hast du nicht um mich geworben, als ich noch in Toledo lebte? Weil ich noch keine Bedeutung für dich besaß? Aber dann wolltest du unbedingt das haben, was deinem Bruder gehört. So war es schon immer, nicht wahr?“
So rasch es ihr Zustand erlaubte, stand sie nun doch auf. Chilperich, stellte sie fest, war verschwunden. Er hatte sie nicht einmal bis zu Ende angehört. Wie schade. Alle Anschuldigungen waren wie von selbst hervorgesprudelt, aber es tat ihr nicht im Mindesten leid. Sie hatte nur ausgesprochen, was sie schon lange dachte. Sie musste sich an der Wand abstützen, so unverhofft überfiel sie Schwäche. Die Wände waren feucht und unangenehm schmutzig.
In der Nacht befielen sie furchtbare Krämpfe. Sie hatte kaum etwas gegessen, aber das wenige verwandelte sich in Säure, die ihr die Eingeweide zerfraß. Sie schrie vor Schmerzen. Sigibert wachte auf und rief verstört nach ihren Dienerinnen. Schließlich ließ er einen Arzt kommen. Aber das Verhängnis war nicht mehr aufzuhalten. Vor dem Morgengrauen brachte sie ein totes Kind zur Welt. Ein Mädchen.
„Wie geht es ihr. Hast du sie gesehen?“, fragte Chilperich. Die Kunde von dem Unglück hatte sich noch in der Nacht verbreitet. Gegen Morgen hatte es ein Aufatmen gegeben, als feststand, dass Brunichild die Totgeburt überleben würde. Der Arzt war sich ganz sicher. Eine Stunde zuvor hatte Chilperich Fredegund ausgeschickt, um Näheres zu erfahren.
„Ja, ich habe sie gesehen und gesprochen. Sie ist elend dran. Wie vernichtet. Macht sich die üblichen Vorwürfe und andere tun es auch. Es gibt immer schnell Vorwürfe in solchen Fällen und immer die gleichen: zu wenig oder zu viel Vorsicht und so weiter. Jeder sucht eine Erklärung für das Unglück.“ Fredegund hatte Brunichilds Verzweiflung erkannt und war voller Mitleid. „Sie erwähnte Gift.“ Prüfend schielte sie zu Chilperich hinüber. Hatte er sie verstanden? Er saß in einem Sessel und brütete vor sich hin. Sie trafen sich in seinem Privatgemach, zu dem kaum jemand Zutritt hatte. Sie selbst musste sich bisher im Dunkel der Nacht hierherstehlen. Es wurde Zeit, dass sich daran etwas änderten. Diesmal war sie bei Tag hier. Im Augenblick herrschte allerdings so viel Aufregung, dass niemand auf sie achtete.
„Wieso Gift?“, fuhr Chilperich auf. „Brunichild glaubt, sie sei vergiftet worden?“
„Was weiß ich? Sie bildet sich etwas ein.“ Fredegund wusste, dass Chilperich in seine schöne Schwägerin vernarrt war, daran hatte sich seit Lyon, als sie die beiden in der Gartenlaube beobachtet hatte, nichts geändert. Seine Stimme nahm einen weicheren Ton an, sobald er von ihr sprach.
„Hast du sie vergiftet?“, fragte er lauernd.
Fredegund trat zu ihm. Er zog sie zwischen seine Beine und lehnte den Kopf an ihre Brust.
Sie lachte geringschätzig. „Hätte ich das tun sollen? Wozu? Sie hat nur ein Mädchen geboren, keinen Erben für den Thron von Austrasien. Ich hätte ihr eine lebende Tochter gegönnt, das kannst du mir glauben.“ Chilperich zog ihre Röcke hoch, ungeduldig, fordernd, aber sie ließ sich in ihren Überlegungen nicht stören. „Nein, ich war’s bestimmt nicht.“ Sie hatte sich für den Nachmittag mit Priscus verabredet. Schon am Tag zuvor war es ihr gelungen, ihn zu verführen. Dazu hatte es keines großen Aufwands bedurft. Er war ein attraktiver Mann, aber nicht das Aussehen hatte sie gereizt. Es war nur eine Gelegenheit, sich unabhängig zu fühlen und sich an Chilperich zu rächen. Er war ein Heuchler, das wusste sie nur zu genau. Und sie hatte keine Lust, ihn hier und jetzt gewähren zu lassen und ihm Erleichterung zu verschaffen. Vor der Verwandtschaft den tief betrübten und entsagenden Ehemann zu spielen, machte ihn reizbar. Echt war dagegen die Trauer um seine Tochter.
Er hatte seine Tunika hochgeschoben und die Hose geöffnet. Spöttisch betrachtete Fredegund sein pralles Glied. „Steck das weg“, sagte sie, „denk daran, dass dies ein Trauerhaus ist. Nimm die Gelegenheit wahr, dich auf deine Verantwortung als König und auf die als Rigunths Vater zu besinnen. Glaub nicht, ich lasse mich weiter von dir als Hure missbrauchen. Wenn du mich noch einmal haben willst, dann nur als deine Ehefrau mit allen Rechten.“
Ehe er sie festhalten konnte, schlüpfte sie hinaus. Seinen Zorn nahm sie nicht
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