Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Aletha ruhen. Als der Alte sie erreicht hatte, beugte er das Knie und verneigte sich tief.
„Prinzessin!“, sagte er feierlich. Genauso ernst und getragen begrüßte er Alexander. „Mein Prinz! Ich bin erfreut, euch beide so wohlauf anzutreffen. Man hat mir im Haus gesagt, wo ich euch finde.“
Aletha schlug prustend die Hand vor den Mund, wurde schlagartig ernst und fand die Sprache wieder. „Cniva!“
Wittiges brauchte einen Moment, um den ungebetenen Gast zu erkennen. Cniva? Langsam dämmerte es ihm. Der Hofmeister des Frauenhauses in der königlichen Residenz von Toledo. Der Obereunuch. Was wollte er hier? Und ... wie hatte er Aletha und Alexander angesprochen?
„Ja, ich bin es. Ich habe eine weite Reise auf mich genommen, um euch beide zu finden.“
„Dann solltest du einen Schluck trinken“, schlug Pontus vor und hielt ihm seinen Becher hin. „Nimm nur, ich bin übrigens Pontus. Freut mich, dich kennenzulernen, Cniva.“ Irgendwie brach Pontus’ Stimme den Bann.
„Was soll das heißen, mein Prinz?“, rief Alexander verdutzt. „Verwechselst du mich mit jemandem?“
„Nein, mein Prinz!“
„Ich bin immer noch Alexander, ein ehemaliger Sklave, und nicht dein Prinz“, sagte Alexander mit einiger Schärfe und stand auf.
„Und ich sage dir, du bist Prinz Aletheus aus dem königlichen Haus von Burgund. Hier kann ich es laut und deutlich aussprechen“, entgegnete Cniva voller Würde. „Erinnere dich: Es steht in dem Brief, den ich dir mitgab.“
„Nein“, sagte Alexander und schüttelte entschieden den Kopf. „Nein und nochmals nein. Cniva, du hast den Verstand verloren ... und ich deinen Brief, bevor ich ihn lesen konnte.“
Cniva wankte. „Du hast den Brief nicht mehr? Dann weißt du ja nicht Bescheid! Und Prinzessin Aletha? Weiß sie, dass sie deine ...“, rief Cniva aus.
„Aletha ist meine Frau“, mischte sich Wittiges ein. „Und hör auf, sie Prinzessin zu nennen.“
„Ich nenne sie, wie es ihr gebührt“, widersprach Cniva entschieden. „Aber ich danke dir, dass du dich um sie gekümmert hast. Ich hatte es dir aufgetragen, erinnerst du dich? Nur dass du sie gleich heiratest ...“, fügte er missbilligend hinzu.
„Hätte ich dich um Erlaubnis fragen müssen?“, gab Wittiges schroff zurück und erhob sich. „Und jetzt klär uns auf, wieso du Alexander und Aletha als Prinz und Prinzessin anredest, bevor uns der Geduldsfaden reißt.“ Er war hier der Herr, und er würde nicht dulden, dass dieser Mann, der in Toledo so machtvoll und hier nur fehl am Platz wirkte, Unruhe stiftete.
Alexander stolperte ein paar Schritte auf Aletha zu. „Sie ist meine Schwestern nicht wahr?“, wandte er sich an Cniva.
„Natürlich.“
„Wirklich? Darauf muss ich einen trinken“, meldete sich Pontus und nahm Cniva den Becher ab. „Du gestattest?“ Er stürzte den Rest des Weins hinunter und ergriff den Tonkrug, um nachzufüllen. „Und dann erzählst du am besten von Anfang an, damit wir verstehen, worum es geht.“
„Darf ich mich setzen?“, bat Cniva erschöpft. „Ich bin sehr müde.“
Wittiges machte eine einladende Handbewegung und bot Cniva ein gebratenes Hühnerbein an, aber lieber hätte er ihm einen Stein an den Kopf geworfen. In ihm braute sich unversehens etwas zusammen, das er noch nicht benennen konnte. Cniva war nicht der Mann, den er in Erinnerung hatte, so sehr war der Hofmeister von Toledo gealtert. Wie Säcke hingen die ehemals fetten Wangen herab, der feiste Körper hatte seine Spannkraft verloren. Natürlich hatten sein Auftauchen und sein Verhalten Aletha und Alexander gegenüber Wittiges’ Neugier geweckt, aber mehr noch eine deutliche Ahnung von Unheil.
„Nein danke, erst muss ich reden. Es ist eine lange Geschichte“, erklärte Cniva und setzte sich umständlich zurecht.
„Nur zu“, forderte ihn Wittiges auf.
„Ich muss bei mir anfangen. Ich war General des letzten Königs der Burgunder. Im Jahr 532 wurden wir bei Autun von den Franken vernichtend geschlagen, und ich gehörte zu denen, die bis zuletzt kämpften. Ich wurde gefangen genommen und als Strafe für meinen Widerstand entmannt. Lasst uns darüber nicht weiter reden.“ Er schwieg kurz, fasste sich wieder und fuhr fort: „Von der königlichen Familie blieben nur zwei Kinder übrig, die fünf und zwei Jahre alt waren und zu Geiseln erklärt wurden. Ich konnte sie jedoch befreien und floh mit ihnen nach Toledo. Dort wurden wir Geiseln des westgotischen Königs. Das war damals noch nicht
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