Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Balken und eingestürzten Wänden lagen Tote. Ein paar Einwohner machten sich in den Trümmern zu schaffen, um entweder die Toten zu bergen oder nach unversehrter Habe zu suchen. Stumm vor Grauen, die blanke Waffe in der Hand, ritt Wittiges mit einer kleinen Abordnung, zu der auch Falco gehörte, zum Palast. Der größere Teil der Streitmacht lagerte vor der Stadt. Dort waren sie auf keine Gegner gestoßen, wer immer über Reims hergefallen war, hatte sich längst zurückgezogen oder war verjagt worden.
Vor dem Palast wurden sie von Wachen aufgehalten, aber Wittiges hatte sie bald davon überzeugt, dass er und seine Begleiter nicht zum Feind gehörten. Der König, erfuhr er, war seit wenigen Stunden in der Stadt, die erst einen Tag zuvor zurückerobert worden war. Gogo, Lupus und sein Bruder Magnulfus waren bei Sigibert, als Wittiges zusammen mit Falco die große Halle betrat.
„Wittiges, wie schön, dich wohlbehalten zu sehen. Wie viele Krieger bringst du mit?“ Sigibert kam freudestrahlend auf ihn zu. „Falco.“ Er nickte seinem ehemaligen Günstling knapp zu.
„Ich wette, für deine erfolgreiche Mission im Osten bekommst du wieder ein Landgut. Steck es dir in den Arsch“, zischte Falco Wittiges gehässig ins Ohr.
Mit dem Landgut könnte er recht haben, dachte Wittiges und ließ ihn stehen. Er begrüßte den König, der ihn herzlich umarmte. „Ich habe tausend sächsische Krieger mitgebracht, etwa zweihundert sind beritten. Sie lagern draußen vor der Stadt.“
„Großartig!“ Sigibert rückte von ihm ab und blickte Falco an.
„Du hast dir Zeit gelassen. Der Bote an dich ist schon vor Wochen aufgebrochen und du kommst jetzt erst.“
Falco wollte etwas erwidern, aber Sigibert winkte ab. „Wir haben keine Zeit für langatmige Erklärungen. Jetzt geht es dieser Laus Chilperich an den Kragen. Wir zerquetschen ihn. Ich warte noch auf Ingomer und die Thüringer. Sobald sie eingetroffen sind, rücken wir gegen Paris vor.“
Wittiges war zu Gogo getreten. „Was ist geschehen?“, fragte er leise. „Wie konnte die Stadt eingenommen werden?“
„Chilperich hat noch immer Rückendeckung durch diesen Wendehals Guntram und ist hier eingefallen. Hör zu, was ich dir ...“ Gogo machte eine Pause, und sein Gesicht verzog sich schmerzlich. Sein blindes Auge tränte.
„Wie sieht es im Umland aus?“, fiel ihm Wittiges ins Wort.
„Langsam, lass mich ausreden. Theudebert ist gefallen, Tours und Poitiers sind wieder frei“, erklärte Gogo. „Als uns die Nachricht erreichte, dass sich Chilperichs übrige Truppen hierher gewandt hatten, zogen wir sofort nach Norden, aber wir kamen zu spät, um das Schlimmste zu verhindern. Es tut mir leid.“
Meine Familie, mein Land, dachte Wittiges. Schmerz überfiel ihn, ein furchtbarer Kummer und eine albtraumhafte Gewissheit. Wenn es schon hier in der Stadt so aussah, wie sollte dann sein Landgut der Zerstörung entgangen sein?
„Wir wissen nichts Genaues“, fuhr Gogo fort. „Sicherlich gestattet dir der König, nach Hause zu reiten. Wir brechen ja erst in einigen Tagen wieder auf.“
„Wo ist die Königin?“ Plötzlich musste Wittiges an Brunichild denken.
„In Metz in Sicherheit, sie und die Kinder. Sie hat eine zweite Tochter geboren.“
Wittiges nickte benommen. Nun, wenigstens die Sorge um Brunichild konnte er vergessen. Aber immerfort sah er vor seinem inneren Auge Bilder der Zerstörung und Tote, deren Gesichter er zu erkennen suchte. Er hielt es kaum aus, bis Sigibert die Beratung beendete und er endlich heimreiten durfte.
5
Sowohl tagsüber als auch nachts hatte Cniva Wachen aufgestellt, die er in der ersten Zeit regelmäßig kontrollierte. Jeder, der nicht auf seinem Posten war oder den er schlafend antraf, wurde nicht nur ausgepeitscht, sondern für einen halben Tag an den Pranger gestellt, den er im Stallhof aufgestellt hatte. Aletha protestierte gegen diese, wie sie fand, unnötige Grausamkeit, bis Cniva sie darüber belehrte, dass alle Pflichtvergessenen die Verachtung der anderen spüren mussten, um zu begreifen, worum es hier ging: um ihrer aller Leben. Alexander hatte ohne weiteres dem alten Hofmeister und General das Regiment überlassen, aber sonst war auch niemand geeignetes da, denn Pontus war als voll wehrpflichtiger Mann mit Sigiberts Heer nach Süden gezogen.
Als Aletha an einem schwülen Julimorgen bei Tagesanbruch in den Garten ging, weil sie nicht mehr schlafen konnte, sprang ganz plötzlich hinter einem großen Rosenstrauch ein
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