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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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nicht aus eigenem Antrieb gekommen waren. Denen zahlte das die Firma. Genau wie mir. Ein Blick auf den Tagespreis bestätigte mir, dass Oda-Gesine nach wie vor ganz doll an mich glaubte. Warum, wusste ich schon lange nicht mehr. Ich miese Quotenversagerin. Ich mittelmäßige Einschaltquote ich.
    Der Meister vorne hüpfte mit unglaublicher Penetranz auf der Stelle, während er sprach. Wie ein aufgezogener Sprungfederteufel, der einem aus Geschenkpackungen entgegenspritzt. »Sie sind Elite!« trichterte er uns karrieremüden, abgeschlafften Versagern ein. »Sie sind zu intelligent, um Ihre Gehirnwindungen mit Rauch, Alkohol und Fett zu verstopfen! Hören Sie auf, sich selbst zu zerstören!«
    Wir guckten lasch auf unser Seminarpult. Klar verstopften wir unsere Gehirnwindungen. Wenn ich daran dachte, womit ich meine verstopfte, wurde mir ganz trüb im Herzen. Ich bitte um die Wand.
    Herr Dr. Strunz zeigte uns ein Video, in dem aus einer menschlichen Halsschlagader würstchengroße Fettmassen geschält wurden. »Damit das Gehirn wieder Sauerstoff bekommt!«
    Wir ekelten uns mit Hingabe. »Iih! Und das so kurz nach dem Frühstück! MUSS das denn sein!«, rief eine Dicke in der ersten Reihe, die, wie sie mir beim Frühstück erzählt hatte, Chefeinkäuferin von »Quelle« (oder sagte sie Qualle?) war.
    Aber dem Doktor war klar, dass er nur so die lahmen Säcke, die vor ihm hockten, aus ihrem Winterschlaf erwecken konnte. »Des war kai Obba!«, setzte Strunz noch einen drauf. »Zweiunddreißig Jahre ist der alt! Verfettet bei lebendigem Leibe! Irgendwann fällt der beim Laufen tot um. Und dann wundert der sich.«
    Ich wurde hellhörig. Moment, dachte ich, wieso fällt der beim Laufen tot um? Ich denke, wir sollen laufen! Nichts anderes predigt der seit einer Stunde. Aufpassen, dachte ich. Dies hier könnte spannend werden.
    Strunz malte eine Lebenskurve an die Tafel. Bei hundert Prozent machte er ein Kreuzchen. »Hier! So haben wir unseren Körper geschenkt bekommen! Hundert Prozent Leistungsfähigkeit! Aber bei … dreißig Prozent … (er malte ein weiteres Kreuz) bemerken die meisten überhaupt erst, dass mit ihrem Körper was nicht stimmt! Dann rennen sie zum Arzt, Herr Dokta, isch bin immä so müd und so schlaff un mei Stuhlgang will net un mei Kopfschmäzz un mei Gelenkrheuma! Ja, Leute, dann ist es zu spät! Mit dreißig Prozent kann man nicht mehr viel machen. So schaut’s dann innen drin bei den meisten aus.« Er hämmerte mit den Fäusten gegen den Video-Apparat, der nach wie vor die gelblich-grünliche Fettmasse aus der Halsschlagader des verfetteten Zweiunddreißigjährigen vorführte.
    »Wollen Sie Ihren eigenen Fettgehalt wissen?« Strunz hörte nicht mit dem provokanten Hüpfen auf.
    »Äm … och nein.« – »Äh … nein danke.« – »Also nicht doch, das ist doch nicht nötig«, murmelten die Manager vor sich hin.
    Ein Jungdynamischer stand auf und meldete sich freiwillig. Er durfte auf eine Waage steigen, die nicht nur sein Körpergewicht, sondern den Fettgehalt seines Körpers anzeigte. Er hatte 18 Prozent Körperfett. Strunz verriet, er selbst habe 10 Prozent. »Wenn ich 11 Prozent habe, dann schäme ich mich. Vor meinen Kindern.« Wir senkten die Blicke. »So, wer noch?«
    Ich meldete mich tapfer. Stolz verkündete ich, dass ich kaum 58 Kilo wöge. Bei einer Größe von 1,76 ist das wirklich keine Schande.
    Der Fettgehalt meines ausgehungerten Körpers war 27 Prozent. In Worten: siebenundzwanzig Prozent!
    Schamesrot stieg ich von der Waage. »Aber ich habe gefastet«, murmelte ich erschüttert. »Wochenlang habe ich Nahrung nur anmeditiert!«
    »Da haben Sie die krasseste Form der Fehl- und Mangelernährung an sich vorgenommen! Sie haben erhebliche Verluste an Körperprotein mit gesundheitlichen Risiken in Kauf genommen. Warum haben Sie das getan?«
    »Ich … äm, die Einschaltquote lag unter fünf Millionen …« Ich schämte mich.
    »Aah, die Einschaltquote.« Strunz guckte mich mitleidig an. »Sie haben Ihrem Körper alles entzogen, was er braucht, um Muskeln aufzubauen. Jetzt haben Sie Ihr Fett. Sie sind übergewichtig, liebe Dame. Und zwar erheblich. Wenn Ihre 58 Kilo aus Muskeln bestünden, hätten Sie es richtig gemacht.«
    Ich schlich auf meinen Platz zurück.
    »Sehen Sie, es gibt Models, die wiegen 50 Kilo oder noch weniger. Aber die haben einen Fettgehalt von 30 Prozent! Die sind massiv übergewichtig! Obwohl sie sich nach jedem Knäckebrot den Finger in den Hals stecken!«
    Igitt,

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