Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
wie »Schwererziehbare Kinder! Dritter Stock. Hier unten sind nur die Hochbegabten.«
Während ich im Fahrstuhl stand, versuchte ich mein Herzklopfen zu unterdrücken. Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Zeig es ihnen, dass Charme und Ausstrahlung von innen kommen. Los. Kopf hoch. Du hast dich für nichts zu schämen. Du hast vier Kinder, und darauf kannst du verdammt stolz sein.
Jaja, sagte ich matt. Mein Selbstbewusstsein lag zusammengekrümmt auf dem Fußboden und hob nicht mal mehr den Kopf. Sogar Margarete Jacoby fand es anmaßend, dass ich »Wört-Flört« moderieren wollte! Sogar die! Oder bildete ich mir das nur ein?
Die Fahrstuhltür öffnete sich. Los jetzt. Geh raus. Na los. Sei nicht feige. Du hast schon andere Situationen gemeistert. Du bist schon viermal in den Kreißsaal marschiert. Da wirst du doch wohl jetzt in das Bekleidungshaus für Übergrößen marschieren können!
Hinten im Raum zwischen den Kostümen und Hosenanzügen »für die stärkere Dame« stand Frank und sortierte Sachen auf einen Ständer. Drei Verkäuferinnen eilten um ihn herum und brachten Schuhe, Blusen, Schals und andere Accessoires.
Frank war ganz in Schwarz gekleidet, die Hosen aus Lackleder, die Schuhe auch, und auf dem Kopf hatte er ein rotes Tuch, das er im Nacken verknotet hatte. Er war bestimmt in seiner Freizeit Bungee-Springer. Seine Oberarme, die mit geilen Tattoos verziert waren, barsten fast unter den prallen Muskeln. Sein T-Shirt war mehr so ein Schal mit drei Löchern und endete deutlich über dem Bauchnabel, welcher gepierct war. Hübscher Junge, dieser Frank. Er war vielleicht zweiundzwanzig.
Ich begrüßte ihn mit festem Händedruck. Seine Hand war überraschend lasch und weich.
»Hallo, Karla«, sagte er, und an seiner Stimme erkannte ich sofort, dass er schwul war. »Ich hab schon mal ’ne Vorauswahl getroffen, du kannst natürlich sofort sagen, wenn dir was widerstrebt, aber für die ersten sechzehn Sendungen haben wir nicht ganz soviel Auswahl bei deiner Größe …« Er ließ seinen Blick abschätzig über meine siebzig Kilo gleiten.
»Ist schon gut«, sagte ich. Verdammte Äußerlichkeiten.
Die Verkäuferinnen standen da und starrten.
»Tag«, sagte ich und drückte jeder die Hand.
Sie lächelten knapp.
»Die Kabine wäre dann frei.«
Wir setzten uns in Bewegung. Frank schob den Ständer mit den zwanzig Outfits.
Die Kabine war riesig, mit großen Spiegeln an allen vier Wänden und mit einer Beleuchtung, die jedem Schönheitschirurgen die Dollarzeichen in die Augen getrieben hätte.
»Also los«, sagte Frank. »Wenn du was nicht magst, sagst es halt direkt.«
Alles mag ich nicht, dachte ich. So was zieh ich im Leben nicht freiwillig an. Margarete Jacoby und ich, wir haben nichts gemein.
Ich schob mit peinlich gekünstelter Geste den Vorhang ein Stück zu. Wie blöd. Wie verklemmt. Dumme Pute.
Das erste Outfit war ein grauschwarzer Hosenanzug mit einem hellblauen Rolli drunter. Die Hose ging zu, wenn auch knapp, die Knöpfe über dem Busen auch. Der Rest war mir egal. Ich vermied es, während des Umziehens in den Spiegel zu sehen. Als ich das Sakko anhatte, schaute mir aus gnadenlos beleuchteten Spiegeln eine übernächtigte Handarbeitslehrerin im grauen Hosenanzug entgegen, die dringend mal wieder zum Friseur gehen sollte.
Die Anderen sahen mich schweigend an. Ich wollte versinken.
»Geil!«, sagte ich und fing hilflos an zu kichern.
Eine Verkäuferin eilte flugs herbei und wand mir ein großgemustertes schwarzes Halstuch mit vielen goldenen Dackeln drauf um meine Schultern.
»Das peppt doch auf.«
Ich guckte von einem zum anderen.
»Ist doch hip«, sagte Frank.
Wollte der mich verarschen?
»Steht Ihnen wirklich gut«, sagten die Verkäuferinnen und nickten im Takt. Bestimmt hatte Frank die bestochen. Klar. Bei der Knete kam es auf ein paar Tausender nicht an.
»Ist das nicht etwas bieder?«, fragte ich verunsichert. Ich fand es zum Schreien spießig.
»Die Haare kommen ja noch«, sagte Frank. »Mach dir keine Sorgen, Karla. Wir stylen dich total crazy, wirst schon sehen.«
Wir probierten dann noch alle anderen neunzehn Outfits Bei einem bräunlichbeigen Hosenanzug ging der Knopf nicht zu, beim besten Willen nicht. Ich wollte mich wieder herausschälen. Aber Frank ließ mich nicht so einfach gewähren.
»Das kaschieren dir die Gewandmeister«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen. Wir haben Sicherheitsnadeln und so. Das sieht nachher echt cool aus!«
Er ging in die
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