Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
und einem weinenden Auge schlich ich die Treppe hinunter in Richtung Studio. Bestimmt warteten sie schon wieder alle auf mich, die Kandidaten und die Strohkandidaten, die Regisseurin und die Verkabler, die Gästebetreuer, die Autoren und die Neger-Halter, ganz zu schweigen von dem besorgten Frank mit seinen Kostümen und dem hektischen Sascha mit seinen Rougepinseln. Heimlich versuchte ich mich an der wichtigen Silvia vorbeizuschleichen, die wie immer in ihrem Stübchen hockte und die frischen Rosen anschnitt. Aber sie hatte mich schon erspäht.
»Ist’s alles recht mit’m Fliegensprray?« Sie schoss aus ihrem Kabuff heraus.
»Ja, Silvia, danke. Alles recht.« Silvia, bitte. Du bist hier die Wichtigste, ich weiß, aber bitte lass mich jetzt in Ruhe. Ich versuche, meine Fassung wiederzugewinnen.
»Und die Obstschale, ist das das rrechte Obst?«
»Ja, super, Appelken, Banänchen, Apfelsinchen, super, Silvia, alles super, DANKE, Silvia, DANKE!!!«
Ich fing an zu rennen. Wumm, ließ ich die schwere Eisentür zum Studio hinter mir zufallen. Mein Gott, was für ein übereifriges Wesen! Hatte die zu Hause keiner lieb? Eine typische Fürsorgesyndrom-Frau, dachte ich. Holt sich ihre Bestätigung nur über eine aufdringliche Form von Nächstenliebe.
Die Kandidaten hockten schon betont lässig auf ihren Hockern. Mann, ey. Jetzt komm endlich, ey.
»Tschuldigung«, stammelte ich, »ich hatte noch ’ne Besprechung mit der Chefin!«
»Alles im grünen Bereich, Karla«, meldete sich Tanja wie immer sehr liebenswürdig aus der Regie. »Also dann bitte Ruhe im Studio für eine Probe!«
Alle waren so nett! Vielleicht wussten sie von Oda-Gesines persönlichen Motiven? Vielleicht hatte Frau Malzahn sie alle geimpft: Passt auf, Leute, bevor ich ins Gras beiße, will ich noch einmal ein kleines, nettes Experiment machen: Ich nehm ’ne vierfache Mutti ohne jeglichen Akzent, die auch noch ihren Säugling mit sich rumschleppt, die zwanzig Jahre zu alt ist für den Job, kleide sie bieder, frisiere sie altbacken, lasse sie grundsätzlich nur vom Neger ablesen und teste mal, wie das Publikum von heute so reagiert. Dass ihr mir alle nett seid zu dem Mädel! Gebt ihr die schlechten Kritiken und die böse Zuschauerpost in wohldosierten Mengen! Hauptsache, sie kackt nicht ab! Ich will doch einfach mal wissen, wie das Publikum von heute so drauf ist. Gerade die bürgerlichen Spießer. Ob die ihresgleichen auf dem Bildschirm ertragen können oder nicht.
Man verkabelte mich in Windeseile. Ich stellte mich vor die Kamera eins und sagte meine Anmoderation, die Rolf mir auf den Neger hatte schreiben lassen. Diesmal war es ein lascher Witz über Schröder und Kohl. »Schröder und Kohl waren zum Essen verabredet, sind aber beide nicht gekommen. Warum nicht? Schröder ist im Aufzug steckengeblieben und Kohl auf der Rolltreppe.« Die Strohkandidaten und die Mitarbeiter in den Rängen lachten. Na bitte, dachte ich. Ich werd das noch in allen Nuancen mit Rolf erarbeiten, auf den Punkt bringen. Herr Bönninghausen wird darauf bestehen, dass ich »Wört-Flört-Tört« sage, vielleicht soll ich auch »Schokolutscherlümmel« mit einarbeiten, mal gucken, wie wir das alles in sechzig Sekunden unterbringen. Möglicherweise kann ich doch noch den einen oder anderen Zuschauer auf meine Seite ziehen.
Froh rief ich aus: »Auf geht’s in die erste Runde!«
Die Kandidaten traten auf. Der Erste war ein goldiger Bursche aus Hannover, gutaussehend, gebildet und charmant. Er war Medizinstudent und in seiner Freizeit Segelflieger. Bei seiner Traumfrau, gab er an, käme es auf den Charakter an und auf die Ausstrahlung, er wünsche sich eine fröhliche, lebensbejahende Frau, mit der er Pferde stehlen könne. Der Zweite war ein Vo-ku-hi-la-O-li-ba. Vorne kurz, hinten lang, Oberlippenbart. Voll der uncoole Prolet. Er war Speditionsfahrer und ging in seiner Freizeit in die Mucki-Bude. Seine Traumfrau war Pamela Anderson und nicht etwa »der kleine Hunger«, wie er launig von sich gab, nämlich Kate Moss. Der Dritte war ein stämmiger, struppiger Bursche im über dem Bierbauch spannenden T-Shirt, mit gelben Zähnen und fränkischem Akzent, der »derzait abbaitslos« war. In seiner Freizeit spielte er Fußball und war ansonsten ein handfester Anbeter von Gärschtensaft. Seine Traumfrau war Dschulja Rrobätts, klaro.
Der Strohpickerin waren die drei Burschen egal, sie stellte die Fragen, die man ihr in die Hand gedrückt hatte, wobei sie auch nach wochenlangem Proben
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