Der Gentleman
hervor.
»Wozu?« erwiderte unfreundlich der Arzt, der nichts mehr haßte, als Selbstmordkandidaten den Magen auszupumpen. »Sie liegt in tiefster Bewußtlosigkeit, im Koma, wenn Sie so wollen. Sie können nicht das geringste tun.«
»Wann wird sie wach?«
»Wenn überhaupt noch einmal, dann erst in vielen Stunden.«
»Um Gottes willen, Sie sagen das so! Was kann man machen?«
»Was man machen kann, ist alles schon geschehen. Jetzt ist nur noch übriggeblieben, den Kreislauf zu stützen. Gehen Sie nach Hause, ich kann Ihnen nichts anderes empfehlen.«
Als Robert das Spital verließ, erschien es ihm unmöglich, ›nach Hause zu gehen‹ und sich womöglich wieder ins Bett zu legen. Das Entsetzen, das ihn schüttelte, verlangte nach einer Aussprache mit jemandem. Aber mit wem? Wen hätte er dazu heranziehen können? Wer konnte ihm zur Verfügung stehen?
Rolf fiel ihm ein. Rolf war der einzige Mensch weit und breit, der dafür in Frage kam.
Also auf nach Blumenfeld! Es war aber gar nicht so einfach, in Altenbach um diese Zeit ein Taxi aufzutreiben, doch dann gelang dies doch, und ein heller Wagen, dessen Fahrer von Robert zu höchster Eile angetrieben wurde, raste in vorschriftswidrigem Tempo über die Chaussee, schnitt die Kurven und erreichte nach kurzer Zeit Blumenfeld, wo sich die biederen Bürger schon längst zu Bett begeben hatten.
Rolf, der Verschollene, gehörte in dieser Beziehung auch zu den biederen Bürgern; der Haken war nur, daß er sich nicht allein in den Federn wälzte, sondern sich dabei der Gesellschaft der kastanienbraunen Elisa erfreute, deren Domizil in dem kleinen Ort ausfindig zu machen für Robert nicht besonders schwierig war. Schon der Taxichauffeur konnte den entscheidenden Hinweis geben. Eine Schwester des Chauffeurs hatte nach Blumenfeld geheiratet. Sie wurde von ihm, nach Empfang eines saftigen Trinkgeldes aus der Hand Roberts, aus dem Bett geläutet und befragt. Die Beschreibung Elisas durch Robert führte rasch zum Erfolg.
Rolf glaubte ein Gespenst zu sehen, als er und Robert sich gegenüberstanden.
»Duuu?« stieß er völlig überrascht hervor. »Wo kommst du her? Was ist los?«
»Zieh dich an, du mußt mit mir kommen, ich brauche dich.«
Rolf hatte nur seinen Pyjama an.
»Mitten in der Nacht?« antwortete er. »Bist du verrückt? Gebraucht werde ich hier am nötigsten.«
»Das Weib wird mal ein paar Stunden auch ohne dich auskommen, verdammt noch mal!«
»Warum soll sie das?«
»Weil Lucia stirbt.«
»Waaas?«
»Sie hat sich mit Schlaftabletten vergiftet.«
»Mach keine Witze, Robert.«
»Sie liegt im Koma, sagt der Arzt.«
Rolf starrte Robert an, mußte an den herrlichen Busen denken, der da der Zerstörung preisgegeben worden war – er konnte eben nicht aus seiner Haut heraus –, fuhr plötzlich herum und verschwand, um sich raschestens anzuziehen. Über die Schulter rief er zurück: »Ich bin in einer Minute fertig!«
Als er in der Tat nach ganz kurzer Zeit wieder erschien, fragte er Robert: »Wie bist du hergekommen?«
»Mit dem Taxi.«
»Schick es zurück. Wir fahren mit meinem Wagen.«
So geschah es.
Unterwegs nach Altenbach ließ sich Rolf das Nähere berichten. Als er hörte, daß Lucia auch noch den Gashahn aufgedreht hatte, meinte er: »Dann muß es ihr verdammt ernst gewesen sein.«
»Was heißt das?« erregte sich Robert. »Hast du daran gezweifelt?«
»Das darf man bei nicht wenigen Frauen in solchen Fällen.«
»Aber nicht bei Lucia!« Robert war empört. »Eine solche Zicke ist die nicht!«
»Sag mal, bist du etwa beleidigt?« entgegnete Rolf sarkastisch. »Hast du sie nicht mehr alle? Müßten wir nicht froh sein, wenn deine Lucia eine solche Zicke gewesen wäre? Dann hätte sie nämlich, um dir Angst einzujagen, nur ein paar Tabletten geschluckt und läge nun nicht im Koma. Sie wäre inzwischen schon wieder quietschfidel. Verstehst du, was ich meine, du Idiot?«
»Entschuldige«, brummte Robert.
Im Krankenhaus, zu dem sie fuhren, war die Lage noch völlig unverändert. Sie drangen zum Arzt vor, dem das gar nicht paßte, und fragten ihn, ob sich der Zustand der Patientin schon gebessert habe.
Erstens sträubte sich der Arzt dagegen, in diesem Zusammenhang den Ausdruck ›Patientin‹ zu hören.
Zweitens erwiderte er: »Nein.«
»Überhaupt nicht?« fragte Robert mit einem bösen Gesichtsausdruck, als wolle er sämtliche Ärzte der Welt verdammen.
»Sind Sie froh«, wurde ihm geantwortet, »daß der Zustand der gleiche geblieben
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