Der Gentleman
Sie …«, begann Robert, weiter kam er nicht, denn das Mädchen ließ ihn, nachdem es ihn ganz kurz mit einem revanchistischen Lächeln bedacht hatte, einfach stehen; sie entfernte sich rasch.
Wie du mir, so ich dir …
Nun mußte er sich durch sie hereingelegt fühlen, nicht sie sich durch ihn. Langsam wurde er ärgerlich. Ob dieses Altenbach mit seinem ganzen Drum und Dran doch nicht das Richtige war für ihn? In der kurzen Zeit, was war ihm da schon begegnet? Ein arroganter Ober; eine Erbsensuppe, die zwar nicht schlecht war, die er sich aber hatte erkämpfen müssen; ein Zimmermädchen das Bereitschaft zeigte, Fallstricke auszulegen; eine Fotografin, die einem mit ihrem Gerät auflauerte. Wozu? Der Teufel wußte das.
Robert Sorant lief mit finsterer Miene durch das Städtchen, trat dreimal in echte Kuhfladen, fluchte und hörte nicht auf, an das unerbetene Foto zu denken, das von ihm gemacht worden war.
Bin ich, fragte er sich, einer Detektivin ins Garn gegangen? Was will sie? Wer hat sie engagiert? Und warum hat der Betreffende sie engagiert? Oder die Betreffende?
Als er ins Hotel zurückkam, knöpfte er sich Herrn Eisner vor und setzte ihm das Messer auf die Brust.
»Ich will jetzt wissen, wer die junge Dame ist.«
»Welche junge Dame?«
»Fragen Sie nicht! Die Sie ans Telefon geholt haben!«
»Wer die ist?«
»Ja.«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Weil sie mich unbefugt fotografiert hat. Dazu hatte sie kein Recht.«
Der Kellner zuckte die Achseln. »Dazu kann ich nichts sagen.«
»Wozu können Sie nichts sagen?«
»Wie diesbezüglich die Rechtsvorschriften lauten.«
»Sie sollen mir sagen, wer sie ist, mehr will ich von Ihnen nicht wissen.«
Der Kellner zögerte kurz, antwortete aber dann: »Eine Grafikerin, die auch fotografiert.«
»Fotografiert?«
»Ja.«
»Beruflich?«
»Sicher.«
»Sie scheinen das ganz natürlich zu finden?«
»Warum nicht?«
»Entweder ist ein Mensch, der normal ist, ein Grafiker beziehungsweise eine Grafikerin und kein Fotograf beziehungsweise keine Fotografin. Oder er ist ein Fotograf beziehungsweise eine Fotografin und kein Grafiker beziehungsweise keine Grafikerin. Beides zusammen ist Blödsinn. Oder sind Sie beispielsweise etwa Kellner und Lokomotivführer?«
»Nein.«
»Sehen Sie, das geht nicht.«
»Nein, das geht nicht, daß einer Kellner und Lokomotivführer ist, aber …«
»Was aber?«
»Aber daß einer Kellner ist und fotografiert, das geht. Oder Lokomotivführer und fotografiert. Oder Grafikerin und fotografiert. Das läßt sich sogar zu einem Doppelberuf ausbauen. Es liegt gewissermaßen in der Natur der Sache. Habe ich recht, mein Herr?«
1 : 0 für Martin Eisner. Im geistigen Duell zwischen einem Schriftsteller und einem Kellner war das ein ungewöhnliches Resultat.
»Sei's wie's will«, sagte Sorant. »Ich verstehe jedenfalls nicht, warum sie mich geknipst hat.«
Eisner lächelte mokant – ein Lächeln, das er einem Oberkellner im Film abgesehen haben mochte – und erwiderte etwas boshaft: »Vielleicht finden Sie sich bald in dem Journal ›Mode und Welt‹ wieder.«
»Wo, bitte?«
»Im Journal ›Mode und Welt‹.«
»Großer Gott! Womöglich als Reklamefigur für Herrenunterwäsche! Arbeitet die für dieses Blatt?«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie selbst sie das fragen würden, mein Herr.«
Robert Sorant geriet fast in eine kleine Panik. Wenn also in acht oder vierzehn Tagen die nächste Ausgabe von ›Mode und Welt‹ auf den Markt kam, konnte es möglich sein, daß er darin abgebildet war in irgendeinem lächerlichen Zusammenhang.
Aber das ging doch gar nicht so ohne weiteres? Über seinen Kopf hinweg? Dazu mußte doch erst seine Erlaubnis eingeholt werden?
Und dennoch – was wird denn heutzutage alles ohne Erlaubnis gemacht? Doch die tollsten Sachen, dachte er.
Mein Gott – wenn Gerti ein solches Bild zu sehen bekam: Robert Sorant in Unterhosen! Mit Hilfe von Fotomontage ließ sich doch alles machen. Oder wenn Verlagsdirektor Willers ein solches Bild sehen sollte. Oder Generalintendant Möller. Oder der dicke Heldentenor Prokas. Alle würden brüllen vor Lachen, das Ballett würde kichern, die jugendliche Naive würde das Foto über ihr Bett nageln. Ganz Köln hätte seinen Spaß, nicht zu vergessen auch die beiden zynischen Freunde Karl und Rolf mit ihrem nie versiegenden Spott. Vor allem aber würde das Bild wie eine Bombe einschlagen bei Gerti, ja, bei ihr, seiner kleinen, süßen, temperamentvollen, energischen,
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