Der Gentleman
sie einander ständig ins Wort fielen. Robert war bemüht, die Geschichte herunterzuspielen, Lucia befleißigte sich des Gegenteils.
»Zeig mal her«, sagte Rolf schließlich zu Robert.
Dieser wies widerstrebend seine Verletzungen vor.
»Du brauchst unbedingt eine Tetanusspritze«, entschied Rolf. Gern hätte er hinzugesetzt: Und du mußt einige Zeit ins Krankenhaus.
Das wäre nämlich seinen Plänen, die er mit Lucia hatte, sehr entgegengekommen.
»Hört doch mit eurer Tetanusspritze auf«, sagte Robert. »Auf die kann ich guten Gewissens verzichten.«
Lucia rief aufgeregt: »Du mußt sie haben! Der Apotheker sagte es, und der versteht davon mehr als du!«
»Der Meinung bin ich auch«, erklärte Rolf.
»Mein Schatz«, sagte, unverändert grinsend, Robert zu Lucia, »du konntest dem Apotheker nicht mitteilen, daß ich erst vor wenigen Monaten eine Tetanusspritze bekommen habe. Und die hält ja bekanntlich längere Zeit.«
»Stimmt das?« antwortete Lucia überrascht und mißtrauisch zugleich.
»Hatte ich mir nicht«, wandte sich Robert an Rolf, »im vergangenen Februar beim Schwimmen im Hallenbad einen Glasscherben von einer zerbrochenen Flasche, die so ein Saukerl ins Becken geworfen hatte, in die Ferse getreten?«
»Doch«, mußte Rolf zugeben. »Von einer Tetanusspritze weiß ich aber in diesem Zusammenhang nichts.«
»Ich muß euch doch nicht alles auf die Nase binden. Die wurde mir ganz automatisch verpaßt.«
»Und das stimmt wirklich?« fragte Lucia noch einmal zweifelnd.
»Wirklich«, antwortete Robert und hob die link Ferse, um ihr die Narbe von damals zu zeigen.
Dann sei ja alles gut, seufzte Lucia. Rolf hingegen konnte seine Enttäuschung nicht ganz verbergen.
»Du solltest aber absolut sicher sein, daß die Wirkung der Spritze auch noch anhält, Heinz«, sagte er.
Das wisse er hundertprozentig, erwiderte Robert, er würde sich ja nur ins eigene Fleisch schneiden, wenn er da leichtsinnig wäre.
Und anschließend nahm er nun die Gegenmaßnahmen in Angriff, zu denen er sich entschlossen hatte.
»Lucia«, meinte er, »ich denke, du bist damit einverstanden, daß ich dir meinen Freund entführe und ich mich mit ihm zu einem Glas in die ›Post‹ oder ins Café setze …«
»Das könnt ihr doch auch hier.«
»Durchaus«, pflichtete Rolf bei.
»Du trinkst doch am liebsten Altbier«, sagte Robert zu ihm.
»Wieso?« fragte Rolf vorsichtig.
»Was heißt ›wieso‹? Trinkst du am liebsten Altbier oder nicht?«
»Doch«, gab Rolf zu. Damit saß er in der Falle.
»Na siehst du«, sagte Robert. »Und deshalb müssen wir ins Lokal. Altbier findet sich nämlich im Kühlschrank hier keines.«
»Leider nicht«, bedauerte Lucia. »Wenn ich gewußt hätte …«
»Ich trinke gern auch etwas anderes«, beteuerte Rolf und strahlte sie an. »Von Ihrer zarten Hand kredenzt –«
»Nichts da!« schnitt ihm Robert das Wort ab. »Du sollst dein Alt haben. Ich kenne dich doch. Er bringt es fertig«, wandte er sich mit einem heimtückischen Grinsen an Lucia, »in einem Durchgang einen ganzen Kasten davon zu leeren. Seine Frau weigert sich dann allerdings immer, mit ihm in einem Zimmer zu schlafen. Nichts könne gemeiner riechen, sagt sie, als eine Altbierleiche.«
Lucia blickte Rolf mit einem klaren Ausdruck in den Augen an. Das hätte ich nicht von Ihnen gedacht, sagte dieser Ausdruck.
»Heinz«, brachte Rolf mühsam hervor, »was redest du da für dummes Zeug? Einen Kasten Altbier kann doch kein Mensch …«
Aber er brach ab. Er wußte, daß die Schlacht im Moment für ihn verloren war. Seine Hoffnungen konnten sich nur auf einen neuen, späteren Anlauf gründen.
»Geh'n wir«, sagte er kurzentschlossen zu Robert und draußen beklagte er sich: »Du gemeiner Hund! Mußte das sein?«
»Das mußte es«, nickte Robert.
»Aber verlaß dich drauf, wenn wir vom Wirtshaus zurückkommen zu deiner Süßen, wird sie einen ganz anderen Eindruck von mir haben. Ich werde dich Lügen strafen, verstehst du!«
»Um so besser«, grinste Robert. Er blickte optimistisch in die nächste Zukunft. Er kannte seinen Freund und wußte, wie ihm am leichtesten beizukommen war.
Sie gingen ins Café Schuh, das um diese Zeit nicht allzu lebhaften Besuch aufzuweisen hatte. Robert steuerte einen Tisch, an dem ein Mädchen allein saß, an. Ein hübsches Mädchen. Reizendes Gesicht, gute Figur.
»Gestatten Sie?« fragte Robert. »Oder erwarten Sie jemanden?«
»Nein«, erwiderte das Mädchen.
»Dann dürfen wir Ihnen
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