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Der Gerechte

Der Gerechte

Titel: Der Gerechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der Junge merkte, denn er fragte:
    »Sie glauben mir nicht?«
    »Doch, ich muß es.«
    »Wie ein Engel war er. Der… der Geist schwebte über dem Schnee, dann kam er zu uns.«
    »Durch die Scheibe?«
    »Geister können ja durch Wände und Scheiben gehen. Auch der böse Mann hat ihn nicht gesehen. Nur ich.«
    »Was tat er denn?«
    »Er bewegte etwas von oben nach unten, das so aussah wie ein komischer heller Schatten. Ein Schwert aus Licht oder Glas, glaube ich. Das haben die anderen nicht gesehen.«
    »Schwert aus Licht oder Glas«, wiederholte Harris murmelnd und schaute auf seine feucht gewordenen Handflächen. Er tat diesen Job schon lange. So etwas wie heute hatte er in seiner Praxis noch nie zuvor erlebt. Das war ihm völlig neu, das war auch so schrecklich und kaum zu glauben. Wenn jedoch keine andere Erklärung gefunden wurde, mußten sie auf die Aussagen des Jungen zurückgreifen.
    »Das war bestimmt ein Engel, Sir. Glauben Sie an Engel?«
    Harris, ein harter Knochen, wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
    »Bis heute jedenfalls nicht.«
    »Dann müssen Sie Ihre Meinung ändern, Sir. Ich habe ihn gesehen.«
    Er strich über Mikes Haar. »Wie alt bist du denn?«
    »Zehn.«
    »Ich bin über fünfzig Jahre, aber ich muß zugeben, daß du mir etwas voraus hast. Vielleicht sollten auch wir Erwachsenen mehr an Erscheinungen glauben.«
    Es klopfte.
    Harris wurde aus seinen Gedanken gerissen. Sein nachdenklicher Gesichtsausdruck bekam einen ärgerlichen Zug. »Ich habe doch gesagt, daß ich nicht gestört werden will«, sagte er, als die Tür aufgedrückt wurde und ein Polizist das leere Klassenzimmer betrat.
    »Sir, ich möchte um Entschuldigung bitten, aber es will Sie jemand dringend sprechen. Sir James Powell von Scotland Yard.«
    »Was hat er denn damit zu tun?«
    »Ich weiß es nicht, Captain.«
    »Wo?«
    »Im Sekretariat.«
    Harris verließ den Raum und ging hin. Mike nahm er mit. Er hielt ihn an der Hand gefaßt und spürte die Kälte der Haut. Der Junge war noch immer durcheinander und fürchtete sich.
    Im Flur stauten sich die Menschen. Einige Eltern hatten den Klassenraum verlassen und redeten mit schrillen Stimmen auf die Uniformierten ein.
    Auf dem Schreibtisch des Sekretariats lag der Hörer neben dem Apparat. Harris meldete sich und hörte die Stimme des Superintendenten. Beide Männer kannten sich recht gut. Sir James sprach von einer Meldung, die er bekommen hatte und die besagte, daß es zu einer schon wundersamen Rettung der Schulkinder gekommen war.
    »Das kann ich nur bestätigen, Sir.«
    »Gut, Captain, dann können Sie mir auch sagen, wie es genau dazu gekommen ist.«
    Harris schaute auf Mike, der ein Glas mit Limonade bekommen hatte und langsam trank. »Es ist schwer, Sir, es ist sogar unerklärlich. Wir können uns da eigentlich nur auf die Zeugenaussage eines Schülers im Alter von zehn Jahren verlassen.«
    »Sonst keine Zeugen?«
    »Bisher nicht.«
    »Gut, Captain. Was sagt der Junge?«
    Harris räusperte sich. »Er sprach, ob Sie es glauben oder nicht, von einem Geist, der erschien.«
    Sir James schwieg, bevor er fragte: »Dann hat also ein Geist oder Gespenst dem Killer die Hände abgehackt, wie ich dieser Meldung entnehmen konnte.«
    »Das behauptet zumindest der Junge.«
    »Was hat er noch gesehen?«
    Wieder blickte Harris auf den kleinen Mike. Er dachte daran, ihn selbst mit Sir James sprechen zu lassen, aber der Junge veränderte sich. Plötzlich brach die Mauer zusammen. Jetzt erst kam er dazu, darüber nachzudenken, was hinter ihm lag, und da war es mit seiner künstlichen Beherrschung vorbei.
    Er schrie, und das Glas mit der Limonade rutschte ihm aus den Händen. Es zerschellte auf dem Boden. Splitter und klebrige Flüssigkeit spritzten in alle Richtungen weg. Das Gesicht des Jungen lief rot an. Er fing an zu zittern, dann weinte er, und die Sekretärin, Mrs. Donovan, huschte auf Mike zu und zog ihn an sich.
    Sie brachte ihn weg, damit sich inzwischen der eingetroffene Psychologe um ihn kümmern konnte.
    Captain Harris wischte Schweiß von seiner Stirn. »Sir, sind Sie noch dran?«
    »Ja, zum Henker, was war los?«
    Harris erklärte es ihm, und natürlich hatte der Superintendent dafür Verständnis. »Sie müssen sich also auf mich verlassen. Ich kann Ihnen nur das wiedergeben, was man mir gesagt hat. Das ist alles.«
    »Dann noch mal von vorn.«
    Harris war sicher, daß Sir James ein Band mitlaufen ließ. Natürlich wußte er, mit welchen Fällen sich dieser Mann

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