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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Felsbrocken türmten sich bis zur Decke.
    »Wir müssen ihn freiräumen«, sagte Jada und begann, den Schutthaufen an der Spitze abzutragen. Raoul hatte Zweifel, ob das, was sie tat, etwas brachte; trotzdem half er ihr. Irgendwo mussten sie schließlich mit der Suche beginnen.
    Binnen kurzer Zeit stellte sich heraus, dass das Gewölbe nur am Eingang eingestürzt war: Nachdem sie einige Brocken weggeräumt hatten, klaffte vor ihnen eine dunkle Öffnung. Raoul hatte Sorge, dass von oben Trümmer nachrutschen könnten,
doch das Felsengewölbe schien stabil zu sein. Jada arbeitete fieberhaft. Kaum war das Loch groß genug für sie, kroch sie hindurch.
    »Jada, warte!«, sagte Raoul. »Wir brauchen Licht.«
    Ohne ein Wort verschwand sie auf der anderen Seite. In dem Gewölbe war es stockdunkel. Feuerstein und Fackeln hatten sie am Ufer zurückgelassen, und Raoul wusste nicht, wie er ohne Hilfsmittel für Licht sorgen sollte. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen kletterte er den Schuttberg hinauf, kroch durch die Öffnung und ließ sich auf der anderen Seite herunter, bis er ebenen Boden unter den Füßen spürte.
    Er wartete, bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten. Schließlich konnte er erkennen, dass das Gewölbe nach wenigen Schritten in eine Kammer mündete. Jadas weiße Gestalt kauerte auf dem Boden.
    Langsam ging er zu ihr. Die Kammer war achteckig wie der Kirchturm; in den Felsboden waren sechs steinerne Sarkophage eingelassen, deren Deckel mit den Abbildern jener versehen waren, die hier ruhten. Jada kniete neben einem der Sarkophage, ihre Finger berührten das steinerne Gesicht des Toten. Trotz der Dunkelheit sah Raoul, dass der Sargdeckel mit großer Kunstfertigkeit gemacht worden war: Der dargestellte Mönch trug eine Kutte, sein bärtiges Gesicht strahlte Ruhe und Frieden aus, und seine Hände hielten das steinerne Zepter auf der Brust. Es glich der Abbildung im zweiten Teil der Vita Antonii, über die Raoul sich so gewundert hatte.
    Jadas Hand lag auf der Wange des Steingesichts, behutsam und zärtlich. Er spürte ihren Schmerz und ahnte, dass er Zeuge von etwas war, das seine Vorstellungskraft weit überstieg.
    »Du hast ihn gekannt, nicht wahr?«, hörte er sich sagen.
    Jadas Stimme war leise und gefasst. »Wir haben uns geliebt.«
    Allmächtiger, er ist seit tausend Jahren tot!, dachte er verwirrt. Wie kann sie ihn da geliebt haben? Dennoch sagte sie die Wahrheit.
Plötzlich passte alles zusammen, ergab einen Sinn, auch wenn er ihn noch nicht vollends erfasste. »Erzähl mir, was damals geschehen ist«, bat er sie.
    »Nein.« Sie richtete sich auf und sah ihn an. Sie hatte sich verändert. Der Schmerz und die Trauer waren zwar noch da, doch eine unbändige Stärke kam nun zum Vorschein, die er immer schon an ihr erahnt hatte. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie unvorstellbar alt Jada sein musste. »Wir haben keine Zeit. Wir müssen das Zepter in Sicherheit bringen.« Sie umrundete den Sarkophag und suchte nach einer Möglichkeit, ihn zu öffnen.
    Raoul zog sein Schwert. »Wir müssen ihn aufhebeln«, sagte er und versuchte, die Spitze der Waffe unter den Deckel zu schieben. Der Stein war so fein verarbeitet, dass der Deckel fast lückenlos auf dem Sarg auflag. Jada zückte ihren Dolch und half ihm, indem sie die schmale Klinge an einer Stelle in die Spalte zwängte, wo der Stein abgesplittert war. Dann drückte sie mit ihrem ganzen Gewicht das Heft nach unten. Der Deckel wurde gerade so viel angehoben, dass Raoul mit dem Schwert ansetzen konnte. Er ruinierte damit die Klinge, sah aber keine andere Möglichkeit. Das Schwert als Hebel benutzend, stemmte er den Deckel mit seiner ganzen Kraft auf. Jada schob gleichzeitig, und schließlich polterte die mühlradschwere Steinplatte auf den Boden.
    Schwer atmend warf Raoul die verbogene und nutzlos gewordene Waffe fort und blickte in den Sarg. Von dem Toten war nach tausend Jahren kaum noch etwas übrig: Staub, Knochensplitter, die Reste eines braunen Gewands, der Schädel. Neuerlicher Schmerz ergriff Jada, und sie murmelte etwas in einer Sprache, die er nicht verstand, dessen Bedeutung ihm aber dennoch klar wurde: Vergib mir.
    Das Zepter lag inmitten der Knochen. Raoul fühlte das Verlangen, es zu berühren, es in der Hand zu halten, doch das wäre nicht richtig gewesen. Er wartete, bis Jada es vorsichtig an sich nahm.

    Die Erregung ließ seine Stimme zittern. »Heile mich«, flüsterte er.
    In ihren Augen zeigte sich Bedauern. »Erst wenn wir in

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