Der Gesandte des Papstes
Yeramos geschehen ist, war allein al-Munahids Werk.«
Raoul dachte an die Leichenberge vor den Toren der belagerten Stadt, und seine Stimme bebte vor Zorn, als er weitersprach. »Ihr seid al-Munahids Auftraggeber. Er führt nur Eure Befehle aus.«
»So war es, als wir von Kairo aufbrachen, ja. Aber der Sultan und ich haben diesen Mann unterschätzt. Seit wir die Grenzen des Sultanats hinter uns gelassen haben, hat er mir nicht mehr gehorcht. Am Ende war ich sein Gefangener.«
»Wieso hat er Euch dann nicht schon früher getötet?«
»Er wollte warten, bis er das Zepter hat. Er fürchtete, ich könnte ihm etwas Wissenswertes verschweigen.«
Was ibn-Marzuq sagte, klang überzeugend. Dennoch traute Raoul ihm keinen Fingerbreit. Der Mann war ein hochrangiger Hofbeamter - er wusste, wie man log.
Jada fragte: »Wo ist al-Munahid jetzt?«
»Vermutlich auf dem Weg nach Syrien«, antwortete der Wesir. »Ich habe gehört, wie er sich mit einem seiner Männer über seine Pläne unterhalten hat. Er will das Zepter benutzen, um sich an einem alten Feind zu rächen.«
»Also könnt Ihr uns helfen, al-Munahid zu finden?«
»Ja. Deshalb bin ich hier.«
Jadas letzte Frage war mehr eine Feststellung gewesen. Offenbar war sie bereit, auf ibn-Marzuqs Angebot einzugehen. Raoul war das zu voreilig. »Angenommen, es gelingt uns, al-Munahid das Zepter abzunehmen - was wollt Ihr dann tun? Es einfach uns überlassen? Was gewinnt Ihr dabei?«
»Ich habe am eigenen Leib erfahren, wozu al-Munahid fähig ist«, sagte ibn-Marzuq. »Mit dem Zepter in der Hand wäre er tausend Mal gefährlicher. Der Sultan hat schon genug Feinde. Er braucht keinen weiteren.«
Es konnte nicht ibn-Marzuqs Wunsch sein, dass der Heilige Stuhl - seit zweihundert Jahren der erbittertste Feind der Sultane - das Zepter bekam. Also wusste er, dass Raoul nicht mehr im Auftrag der Kirche das Zepter suchte. »Heißt das, al-Munahid ist in Euren Augen gefährlicher als der Papst?«
Der Wesir lächelte. »Wenn es Eure Absicht wäre, das Zepter dem Papst zu überlassen, hättet Ihr Euch nicht mit ihr zusammengetan.« Mit einem amüsierten Glitzern in den Augen blickte er Jada an. »Oder stellt sich etwa hier und jetzt heraus, dass Ihr in den Diensten Roms steht, meine Liebe?«
»Macht Euch nicht lächerlich«, erwiderte Jada barsch.
»Wäre das lächerlicher, als ganz Kairo fünf Jahre lang vorzugaukeln, Ihr wärt die letzte fatimidische Prinzessin?« Ibn-Marzuq zuckte mit den Schultern. »Wie dem auch sei, es kümmert mich nicht, wer Ihr seid. Nehmt Ihr mein Angebot an?«
Jada schien ihn mit den Augen festhalten zu wollen. »Wir halten al-Munahid auf und bekommen dafür das Zepter?«
Ibn-Marzuq nickte schweigend.
Raoul legte ihr die Hand auf den Rücken und führte sie einige Schritte von ibn-Marzuq fort. »Er lügt«, flüsterte er. »Das Zepter ist viel zu wichtig. Bei der ersten Gelegenheit wird er versuchen, uns zu betrügen.«
»Natürlich«, erwiderte Jada ebenso leise. »Aber wir haben keine Wahl. Ohne seine Hilfe verlieren wir al-Munahid.«
»Wir haben ihn auch im Ararathochland nicht verloren. Und damals war sein Vorsprung viel größer.«
»Das war etwas anderes. Im Hochland gibt es nur wenige Täler, die für Reiter passierbar sind. Aber wenn er erst die Berge verlassen hat, kann er überallhin reiten. Syrien ist groß.«
Raoul dachte darüber nach. Schließlich sah er ein, dass Jada recht hatte. »Also gut«, murmelte er.
Jada wandte sich zu ibn-Marzuq um. »Wir nehmen an«, sagte sie laut. »Aber ich warne Euch - wenn Ihr uns hintergeht, schneide ich Euch eigenhändig die Kehle durch.«
Najib brachte das letzte Pferd zurück. Der Junge saß auf dem ungesattelten Rücken des Tiers und preschte durch das hohe Gras.
»Wo warst du so lange?«, fuhr Kadar ihn an, als Najib das Pferd zum Stehen brachte.
»Es war ganz hinten in der Schlucht, aqid. Irgendwas hat es eingeschüchtert. Es ließ sich nicht anfassen.«
»Hol deine Sachen. Und mach schnell, bei allen Höllen!«
Najib stieg ab und überschlug sich fast dabei, dem Befehl nachzukommen. Wie die anderen Männer wahrte er einen sicheren Abstand zu Kadar. Der Söldnerführer war heute Morgen so erschöpft wie nach einem dreitägigen Gewaltmarsch aufgewacht - die Macht des Zepters war groß, aber sie verlangte auch ihren Preis. Ibn-Marzuq zu heilen, hatte ihn nicht nur körperlich angeschlagen; er war so reizbar, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Der Zustand im Lager hatte nicht dazu
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