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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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beigetragen, seine Stimmung zu heben: Die Männer lagen kreuz und quer um die kalte Feuerstelle, stinkend und mit verquollenen Gesichtern; Bishr hielt den schlaffen Weinschlauch im Arm, als wäre der eine Hure, während ihm roter Speichel aus dem Mundwinkel rann. Wache hielt niemand. Und natürlich fehlte ibn-Marzuq. Kadar hatte sie mit Tritten geweckt und gebrüllt, ihnen die Schädel einzuschlagen, falls sie nicht bald auf den Beinen wären. Dann die Pferde … Ibn-Marzuq hatte sie losgebunden und auseinandergetrieben, und es hatte sie zwei Stunden gekostet, sie wieder einzufangen. Der Gelehrte hatte dazugelernt. Möglich, dass sein Vorsprung jetzt fünf oder sechs Stunden betrug.
    Mit schweren Gliedern stieg Kadar in den Sattel und ritt los. Das Zepter befand sich in seiner Satteltasche, eingeschlagen in seine Decke. Die Männer konnten ihrem Schöpfer danken, dass ibn-Marzuq es nicht mitgenommen hatte. Auf halbem Weg Richtung des Tals kam ihnen Unardhu entgegen. Der Mongole hatte als Erster sein Pferd eingefangen und ibn-Marzuqs Spur
verfolgt. Aus gestrecktem Galopp heraus zügelte er sein Pferd neben Kadars.
    »Er ist zurück Richtung See geritten. Dann verliert sich seine Spur, weil eine große Gruppe Reiter nach ihm dort entlanggeritten ist.«
    »Hat jemand ihn gesehen?«, fragte Kadar.
    »In den Hügeln lebt niemand, aqid.«
    Keiner der Männer wagte zu sprechen. Kadar mahlte mit den Kiefern, während er seinen Blick über die schroffen Hügelkämme schweifen ließ. Ibn-Marzuq hatte sich eine bessere Gegend für seine Flucht ausgesucht als beim letzten Mal. Damals hatte es nur den Weg am Fluss entlang gegeben, ohne die Möglichkeit, in ein Seitental auszuweichen. Hier aber gab es mehrere Wege. Er konnte dem Tal zum See gefolgt und dort nach Norden oder Süden geritten sein. Oder er versteckte sich in den Hügeln und wartete, bis sie fort waren, um wieder den ursprünglichen Weg nach Westen einzuschlagen - Kadars Weg. Das erschien dem Söldnerführer am wahrscheinlichsten, denn ibn-Marzuq würde das Zepter nicht so leicht aufgeben - schon gar nicht, nachdem er am eigenen Leib erfahren hatte, zu welchen Wundern es fähig war. Aber wie konnte der Gelehrte hoffen, es an sich zu bringen, allein und ohne Hilfe? Hatte er das Gold gestohlen, um neue Männer anzuheuern?
    Das hätte Kadar an seiner Stelle getan. Aber ibn-Marzuq dachte anders. Er war ein Mann, für den Feindschaft lediglich eine Frage von gegensätzlichen Interessen war. Überwogen aber plötzlich die Gemeinsamkeiten, konnte daraus von heute auf morgen ein Bündnis werden.
    Er will Bazerat freikaufen!
    Kadar jagte im Galopp dem Tal entgegen. Zu seiner Linken erhob sich der Rücken eines Bergausläufers, ein schieferfarbener Keil, an dessen Ende die Hügel einen weiten Kessel bildeten. Ein Bach stürzte schäumend über die schräg geschichteten Felsen in die Tiefe und floss dann durch einen Wald aus
Schwarzkiefern. Kadar hielt sich rechts von den turmhohen Bäumen und galoppierte weiter Richtung Norden. Er entdeckte die Spuren der Reiterschar, von der Unardhu gesprochen hatte: eine breite Schneise von zertrampeltem Gras und aufgewühlter Erde, die sich von Norden nach Süden erstreckte.
    Sie führte zu der Stelle, an der die Mongolen gelagert hatten. Die Jurten waren fort, von den Feuerstellen stiegen noch Rauchfahnen gen Himmel. Kadar schwang sich aus dem Sattel, lief zu dem Schuppen und riss die Tür auf.
    Er war leer.
    Währenddessen hatten seine Männer zu ihm aufgeholt. »Sucht die Gegend nach der Leiche von Bazerat ab«, befahl er ihnen harsch. Die Männer stiegen ab. »Du nicht«, sagte er zu Unardhu. »Du reitest den Mongolen nach. Finde heraus, was sie mit Bazerat gemacht haben.«
    Unardhu schwang sich wieder in den Sattel, wendete sein Pferd und galoppierte davon, während die restlichen Männer ausschwärmten. Kadar betrat noch einmal den Schuppen und suchte den Boden ab. Auf der trockenen, steinharten Erde war kein Blut zu sehen. Wenn Bazerat gestorben war, dann nicht hier drinnen.
    Nach und nach kamen die Männer zu den Pferden zurück. »Wir haben nichts gefunden, aqid«, meldete Najib mit entschuldigendem Tonfall, als fürchtete er, zum Ziel von Kadars Zorn zu werden.
    »Frische Gräber?«
    »Auch nicht, aqid.«
    Kadar nickte knapp, worauf Najib sich hastig entfernte.
    Der Söldnerführer betrachtete aus schmalen Augen die Berggipfel, die in der Morgensonne wie Eisen, Gold und Rost schimmerten, während er sein verstümmeltes Ohr

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