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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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berührte. Er brauchte Gewissheit. Er würde nicht noch einmal den Fehler begehen, Bazerat voreilig für tot zu halten.
    Eine gute Stunde verging, bis trommelnder Hufschlag Unardhu
ankündigte. Sein Pferd war schweißnass. Hohes Tempo, auch nur für kurze Zeit, erschöpfte die Kleinpferde mehr als lange Ritte durch unwegsames Gelände. Kadar stand von einem Baumstumpf auf, als der Mongole zu ihm kam. »Hast du sie eingeholt?«
    Unardhu nickte. »Sie waren noch nicht weit. Der Christ ist am Leben, aqid. Zwei Krieger haben gesehen, dass ihr Anführer ihn und die Frau begnadigte. Ibn-Marzuq hat ihm dafür Gold gegeben.«
    »Bist du sicher, dass sie die Wahrheit gesagt haben?«
    »Ganz sicher.«
    Kadars Blick kehrte zu den Hügeln zurück, den gezackten Kuppen der erloschenen Vulkane, den Bergkämmen. Irgendwo dort war Bazerat.
    Wie viele Leben hatte dieser Mann?

ZWEIUNDZWANZIG
     
     
    D as Dorf lag auf einer natürlichen Stufe im Berg, die gerade breit genug war für zwei Reihen Häuser. Links der Gasse schmiegten sich die Gebäude an den schier senkrecht aufsteigenden Hang, rechts standen sie bis scharf an die Kante der Schlucht oder ragten darüber hinaus, getragen von waghalsigen Konstruktionen aus schräg in die Felswand getriebenen Balken. Es gab nur einen Weg vom Tal, einen Pfad mit hohen Böschungen, der sich die grasbewachsene Schräge bis zur kurzen Seite der Stufe hinaufschlängelte. Auf dem letzten Stück mündete er in einer Treppe, die an einem Schanzwerk endete. Die nicht einmal zwanzig Ellen breite Wand aus Baumstämmen mit einer einfachen Aussichtsplattform auf vier Pfosten gab dem Dorf allen Schutz, den es brauchte. Die Felswand auf der einen und die Schlucht auf der anderen Seite machten es nahezu uneinnehmbar.
    Obwohl die Sonne bereits hinter den Bergen verschwunden war, herrschte noch Leben auf der Gasse. Kinder in Überwürfen aus Schafswolle versuchten eine Katze von einem Haufen Heuballen zu locken. Frauen sammelten Hosen, Hemden, Strümpfe und Unterkleider von den Leinen zwischen den Dachgeschossen, während sich ihre Männer an dampfenden Bottichen den Schmutz des Tages abwuschen. Der Schmied schüttete einen Eimer Wasser in die Esse, worauf nach Schlacke riechende Dampfwolken ins Freie quollen. Sein Haus war das einzige Gebäude aus Stein. Sogar der Glockenturm der kleinen Kirche mit dem Lazaruskreuz auf dem Giebel bestand ganz aus dem dunklen Holz der Granatapfelbäume, die den Pfad bis ins Tal herunter säumten.

    Raoul, Jada und ibn-Marzuq waren am Tor abgestiegen und führten ihre Pferde an den Zügeln durchs Dorf. Den Araber hatten sie nicht zurückbekommen, aber ibn-Marzuq hatte den Mongolen zwei Kleinpferde abgekauft, ähnlich dem, das er selbst ritt. Im Jurtenlager hatte der Wesir außerdem ein Schwert für Raoul, lange Dolche für sich und Jada sowie getrocknetes Pferdefleisch, Brot und Hirse für drei Tage erstanden.
    Aprikosenbäume wuchsen auf den Terrassen jenseits des Dorfs und umstanden den Platz vor der Kirche. Der Pfarrer, ein gebeugter Mann mit haarlosem Schädel und gegabeltem weißem Bart, beaufsichtigte zwei Jungen beim Ernten der Aprikosen. Jada unterhielt sich mit ihm auf Griechisch und erfuhr, dass eines der Häuser bei der Kirche leer stand. Der Besitzer sei beim Hüten seiner Ziegen in eine Schlucht gestürzt, worauf seine Frau vor Kummer gestorben sei und man die Kinder in die Obhut einer Tante gegeben habe. Gestützt auf seinen Stock schlurfte der Geistliche voraus und führte sie zu einer Hütte am Rand des Abgrundes. Das hintere Viertel hing, getragen von nur zwei Balken, in der Luft und wirkte auf Raoul wenig Vertrauen erweckend. Doch als sie dem Alten ins Innere folgten, spürte er, dass die Bohlen unter seinen Füßen stabil waren.
    Die beiden Halbwüchsigen brachten ihnen Decken, einen Korb mit reifen Aprikosen, Bier, Brot, Ziegenkäse und Honig. Wegen ihres fremdländischen Aussehens hoffte der Pfarrer auf eine abenteuerliche Geschichte und bestand darauf, mit ihnen zu essen. Jada erzählte ihm etwas, das nichts mit der Wahrheit zu tun hatte, ihn aber offenbar zufrieden stellte. Nach dem Essen ließ er sie allein.
    Raoul hatte im Herd in der Mitte des großen Raumes ein Feuer entfacht. Rotes Licht lag auf ihren Gesichtern. Scharf duftende Artemisiaranken, von den Gehilfen des Pfarrers über den Fenstern angebracht, hielten die Mücken fern.
    »Was wird al-Munahid Euretwegen unternehmen?«, fragte Jada unvermittelt in die Stille. Sie hatte weder das Bier

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