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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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übrig bleiben, als selbst nach Konstantinopel zu reisen. Bring mir das Zepter, Giuseppe.«
    Morras Soutane raschelte, als er sich abermals verneigte.
    Wie es schien, war der Papst eingeschlafen, erschöpft von der aufreibenden Hinrichtung und dem Gespräch. Die Regeln am päpstlichen Hof verlangten von Besuchern, dass sie sich erst zurückziehen durften, wenn der Hausherr es gestattete. Morra beschloss, dieser Zwangslage zu entkommen, indem er noch einige Minuten wartete und sich dann leise entfernte. Konstantinopel, dachte er währenddessen. Heilige Jungfrau Maria, steh mir bei!
    Die letzten Worte musste er versehentlich ausgesprochen haben, denn der Heilige Vater öffnete seine Lider einen Spalt. »Oh, ich bitte dich, mein Freund«, sagte er mit samtweicher Stimme. »Maria hat einen Sohn geboren, erinnerst du dich? Wie kann sie da eine Jungfrau gewesen sein?«

NEUN
     
     
    D er Regen trommelte auf das Deck, durchweichte die Segel und überzog die blaugrüne See mit winzigen, unbeständigen Kratern.
    Kadar al-Munahid stand am Bug der »Fatimas Lächeln« und hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Wind zerrte an dem schweren eingeölten Ledermantel. Er kam aus einem Land, in dem es nie regnete, und anfangs hatte er die Kühle und die Nässe auf der Haut genossen. Aber nach drei Tagen reichte es ihm. Es regnete, seit sie aus Athen ausgelaufen waren, wo eine Windstille sie zwei Tage festgehalten hatte. Das Wetter hatte so rasch umgeschlagen, wie er es noch nie erlebt hatte: innerhalb weniger Stunden von einer leichten Brise zu einem Sturm, in dem sie um ein Haar an einem der unzähligen Felsenriffe der Ägäis zerschellt wären. Einer seiner Männer, Rashid, war über Bord gegangen und ertrunken, weil er nicht auf den Kapitän gehört hatte und sich auf dem Deck herumtrieb, während das Schiff von den Wellen gebeutelt wurde. Natürlich hatte der Tod dieses Dummkopfs in den Männern die Furcht geweckt, Allah sei gegen ihre Reise. Er selbst glaubte nicht an diesen Unsinn, aber er wusste, wie gefährlich Aberglaube sein konnte. Da Drohungen in solchen Fällen alles nur noch schlimmer machten, hatte er ihnen von den Hurenhäusern und Tavernen erzählt, von den drallen Dirnen und dem goldenen thrakischen Wein, die in Konstantinopel auf sie warteten. Die Aussicht auf Vergnügen war ein Mittel, das bei seinen Schakalen stets wirkte.
    Konstantinopel … Durch den grauen Regenschleier konnte er in der Ferne die Türme der Seemauer erkennen, die Segel
der Fischerboote und Handelsschiffe in den beiden Häfen, die Kuppel der Hagia Sophia über den Baumwipfeln. Konstantinopel war trotz ihrer Lage auf einer felsigen Halbinsel eine grüne Stadt, mit Gärten und Alleen, Brunnen und Zisternen. Der gleiche Anblick hatte sich ihm schon einmal geboten, allerdings war es ein heißer, trockener Tag gewesen und er ein eingeschüchterter Knabe von zwölf Jahren, der für zweieinhalb Dirhams, den Preis eines Schweins, den Besitzer wechselte. Wenn er damals gewusst hätte, was ihn im Haus seines neuen Herrn erwartete, wäre er noch verängstigter gewesen.
    Basileios Lakapenos, dachte Kadar mit einem harten Zug um den Mund. Ja, so hieß der alte Dreckskerl. Er musste jetzt über siebzig sein, wenn ihm keiner seiner Sklaven ein Messer zwischen die Rippen gestoßen hatte. Kadar hatte viele Jahre nicht an ihn gedacht und den Namen längst vergessen. Aber dank dieser verfluchten Schiffsreise war die Erinnerung zurückgekommen. In der letzten Nacht hatte er sogar von Lakapenos geträumt. Dabei träumte er nicht mehr, seit er vierzehn war.
    Der Kapitän brüllte einen Befehl, und die Seeleute begannen, das vordere Segel einzuholen. Kadar warf einen letzten Blick auf die grauen Türme und Dächer, bevor er sich abwandte und gegen den Wind gestemmt zur Luke ging. Die »Fatimas Lächeln« war eine syrische Dhau mit zwei Masten und einem schlanken, langgezogenen Rumpf. Der vordere Teil enthielt Waren, die zum Verkauf in Konstantinopel bestimmt waren: verschnürte Tuchballen, Amphoren mit Olivenöl, Waffen aus Damaskus, Fässer mit Gewürzen, deren scharfe Gerüche den üblichen Schiffsgestank überdeckten. Die Reisenden waren im hinteren Teil untergebracht; seine Männer in einem geräumigen Frachtraum, ibn-Marzuq und er in der einzigen Kajüte. Kadar wusste nicht, wie viel Gold der Wesir für die Überfahrt bezahlt hatte, aber vermutlich war es nicht wenig gewesen. Andernfalls hätte es der Kapitän vorgezogen, auch den zweiten Frachtraum mit

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