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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Waren zu füllen.
    Im Schiffsbauch schlug er seine Kapuze zurück. Es roch nach
Schweiß, feuchten Kleidern und ungewaschenen Füßen. Die Männer dösten im dämmrigen Schein einer Laterne. Jene, die nicht zu sehr unter der Seekrankheit litten, wie Armin und der Mongole, flickten ihre Sachen oder würfelten. »Macht euch fertig«, sagte er. »In einer Viertelstunde sind wir da.«
    Die Männer murmelten »Dem Himmel sei Dank« und »Allah sei gepriesen«, und Unruhe breitete sich aus. Kadar ging auf dem Mittelgang zwischen den Schlaflagern zur Tür am Ende des Raumes und öffnete sie.
    Ibn-Marzuq fuhr herum. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Pergament, das er mit der flachen Hand abdeckte. Er wirkte, als sei er bei etwas ertappt worden.
    »Was schreibt Ihr da?«, fragte Kadar.
    »Nichts«, erwiderte der Wesir mürrisch. »Es geht Euch nichts an. Was wollt Ihr?«
    Also ein Gedicht. Ibn-Marzuq trug eine ganze Rolle davon mit sich herum. Er wollte nicht, dass jemand davon erfuhr, und verbarg sie sorgfältig. Durch Zufall hatte Kadar sie eines Abends gesehen. Die Vorstellung, dass dieser feiste Hofbeamte über Liebe und die Schönheit von Blumen schrieb, erheiterte ihn immer noch.
    »Wir erreichen gleich Konstantinopel.«
    »Gut.« Ibn-Marzuq rollte das Pergament zusammen und verstaute es mit dem Kohlestift in seinem Beutel. »Sagt Euren Männern, dass sie sich nicht zu sehr freuen sollen. Sowie ich die Schriftrolle habe, reisen wir wieder ab.«
    »Und wie lange braucht Ihr dafür?«
    »Wie lange wird es wohl dauern, in den Kaiserpalast zu spazieren, die Rolle zu holen und wieder zu gehen?«, fragte der Wesir barsch. Er räumte auch die anderen Schriftstücke auf dem Tisch fort. »Morgen früh verlassen wir Konstantinopel wieder.«
    »Warum habt Ihr es so eilig?«, fragte Kadar.
    Ibn-Marzuq bedachte ihn mit einem herablassenden Blick,
der ihn vermutlich einschüchtern sollte. »Wir haben schon in Athen zu viel Zeit verloren. Ich werde keine weiteren Verzögerungen in Kauf nehmen, nur weil Ihr Euch amüsieren wollt.«
    Als der Söldner seine Sachen gepackt hatte, ging er wieder an Deck. Die »Fatimas Lächeln« näherte sich dem Julianshafen, und die Seemänner machten sich bereit, auch das zweite Segel einzuholen. Das Schiff hatte nur fünf Mann Besatzung, sodass auch der Kapitän mit Hand anlegte.
    Kadar wusste, dass ibn-Marzuq log - und das nicht zum ersten Mal. Der Wesir sorgte sich nicht darum, Zeit zu verlieren; trotz der Flaute vor Athen waren sie nur neun Tage auf See gewesen, eine gute Zeit für eine Strecke von tausend Meilen. Er wollte um jeden Preis vermeiden, dass Battista sie einholte. Aber warum war ibn-Marzuq so davon überzeugt, dass der Venezianer sie immer noch verfolgte? Warum setzte Battista diesen aussichtslosen Kampf fort, wenn es nur um eine alte Reliquie ging? Und was bewog den Sultan, so viel Gold dafür auszugeben, dass sie den Christen zuvorkamen? Kadar war seit über fünfzehn Jahren Söldner. Er hinterfragte die Beweggründe seiner Auftraggeber nicht. Aber etwas sagte ihm, dass es ratsam wäre, dieses Mal eine Ausnahme zu machen.
    Langsam glitt das Schiff durch die Einfahrt in der Hafenmauer, begleitet von den Rufen der Seeleute und dem Kreischen der Möwen, die auf dem Tauwerk der Schiffe an den Anlegestegen hockten. Ibn-Marzuq war als Letzter an Deck gekommen. Er trug einen Ledermantel und stand mit mürrischer Miene abseits der Männer am Bug. Er spielte immer noch den hochnäsigen Hofbeamten, obwohl er schon in Jaffa kaum in der Lage gewesen war, den Emir dazu zu bringen, seine Anweisungen auszuführen. Er hatte sich mit Gold behelfen müssen, damit der Mann die Häfen an der Küste für Battista sperren ließ. Und das, obwohl sie sich noch innerhalb des Sultanats befanden. Hier in Konstantinopel war er ein Nichts, ohne Freunde und ohne Macht.

    Und umringt von Schakalen, dachte Kadar und lächelte im Schatten seiner Kapuze.
     
    Es kam ihm wie gestern vor, als Kadar durch die Straßen schlenderte. Die Häuser hatten sich kaum verändert; die meisten enthielten sogar noch die gleichen Läden, Tavernen oder Werkstätten wie vor neunzehn Jahren. Die Menschen trugen die gleiche Kleidung und redeten über die gleichen Dinge. Es kam ihm so vor, als sei die Zeit in Konstantinopel stehen geblieben - als hielte das Meer auf der einen und die gewaltige Theodosianische Landmauer auf der anderen Seite alle Veränderungen fern.
    Dabei war Konstantinopel eine Stadt, die seit hundert Jahren im Sterben lag.

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