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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Einmal blieb Jada bint-Ghassan stehen. Raoul hörte hastige Schritte und Stimmen hinter sich. Die Ägypterin änderte die Richtung, und als sie das nächste Mal hielten, umgab sie nichts als Dunkelheit und die Stille längst verlassener Ruinen.
    »Hier sind wir sicher«, sagte Jada bint-Ghassan. Ihr war
keine Erschöpfung anzumerken. Die anderen ließen sich dort zu Boden sinken, wo sie gerade standen. Raoul lehnte sich mit dem Rücken gegen einen aus dem Gras ragenden Steinblock und schloss die Augen. Sein Inneres war nichts als Schmerz. Langsam, zögernd fühlte er dumpfe Dankbarkeit. Sie waren in Sicherheit. Er konnte ausruhen.
     
    Sie hasteten durch die dunklen Straßen, Harun ibn-Marzuq, al-Munahid und die verbliebenen sechs Männer der Söldnerschar. Sie liefen durch das verlassene Viertel, über still daliegende Plätze und unkrautüberwucherte Ruinen. Manche Gassen waren so schmal, dass ibn-Marzuq mit den Schultern beinahe die Hauswände berührte. Und immer waren sie auf der Hut vor Beobachtern, vor Streifen der Stadtwache. Al-Munahid trieb sie weiter, auch die Verwundeten, gönnte ihnen keine Atempause. Als sie endlich den zerstörten Hinterhof der alten Taverne erreichten, dachte ibn-Marzuq, dass er für all das viel zu alt war.
    In den letzten dreißig Jahren hatte er sich vom einfachen Schreiber bis zum geachteten Hofbeamten hochgearbeitet, und die Machtkämpfe und Intrigen in der Schlangengrube des Sultanpalastes hatten seinen Durst nach neuen Erfahrungen schon vor langer Zeit gestillt. Dass er jetzt, da er endlich eine Position innehatte, die seinen Fähigkeiten und seinem Hang zur Bequemlichkeit gleichermaßen entgegenkam, noch einmal solchen Mühen und Gefahren ausgesetzt wurde, fand er nicht gerecht. Ich sollte den Sultan bitten, mich aus seinen Diensten zu entlassen, dachte er, als er sich erschöpft auf seinem Lager im oberen Geschoss der Taverne niederließ. Ja, bei Allah, genau das sollte ich tun.
    Kerzen wurden entzündet, und in ihrem Schein begannen die Männer, ihre Wunden zu versorgen. Es gab Schnitte an Armen, Beinen und in Gesichtern, Prellungen, Abschürfungen, aber nichts Ernstes … wenn man davon absah, dass fast die Hälfte der Söldner tot in den Tunneln zurückgeblieben war. Ibn-Marzuq
sah sich darin bestätigt, dass es klug gewesen war, Cristoforo Battista nicht zu unterschätzen. Aber dass es so schlimm enden würde, hatte selbst er nicht vorhersehen können. Er verstand nun, wie es Männern wie dem Venezianer gelungen war, die Länder Palästinas und Syriens zweihundert Jahre lang gegen eine zehnfache Übermacht zu behaupten. Und er war heilfroh, dass die furchtbare Klinge des Eunuchen Battistas Leben ein Ende gemacht hatte.
    Al-Munahid hatte die alte Taverne als Versteck ausgewählt, weil es in dem verlassenen Straßenzug an der Mauer Konstantins weit und breit niemanden gab, der Fragen stellen oder sie anderweitig in Schwierigkeiten bringen konnte. Die Unterkünfte im oberen Geschoss mussten einst recht behaglich gewesen sein: Ibn-Marzuq sah gemalte Jagdszenen und Reste von Teppichen an den Wänden. Doch jetzt waren Mauern und Decke fleckig und rissig; Tische und Stühle gab es keine mehr.
    Sie lagerten im großen Schlafsaal. Je zwei große Fenster an den kurzen Wänden und vier an der langen Wand ließen das Mondlicht herein. Ibn-Marzuq war zu aufgewühlt, um schlafen zu können, und setzte sich mit dem Rücken an die Wand. Seine Kleider waren schmutzig und verschwitzt, der muffige Geruch der alten Tunnel haftete an ihnen. Er sehnte sich nach einem heißen Bad; doch ob er es bekommen würde, hing allein davon ab, was in der Schriftrolle stand.
    Als er sie öffnete, dachte er an die vielen tausend Schriftstücke, die im Hundsturm verbrannt waren. Ein großer Teil des Wissens einer ganzen Kultur war heute vernichtet worden. Das hatte viel mehr zu ibn-Marzuqs düsterer Stimmung beigetragen als das, was den sieben Söldnern zugestoßen war. Sie waren Schakale - Tiere; ihr Tod berührte ihn nicht. Ginge es nach ihm, hätte er noch mehr Männer geopfert, wenn er damit die Schätze des Hundsturmes hätte retten können. Aber es war nun einmal nicht Harun ibn-Marzuq, der über solche Dinge entschied.

    Mit höchster Vorsicht öffnete er die brüchigen Lederbänder und rollte das uralte Pergament auf. Es löste sich an den Rändern auf und brach. Ibn-Marzuq hatte damit gerechnet. Aber er wollte die Schriftrolle ohnehin nach dem Lesen vernichten.
    Die Schrift war verblasst, aber noch

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