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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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nichts davon gesagt? Er hätte mir als Lohn für meine Hilfe die Heilung anbieten können.«
    »Er wollte, dass nur er, Battista und ich von den Kräften des Zepters wissen. Ich musste ihm schwören, dir nichts zu verraten.«
    »Und damit das Geheimnis gewahrt blieb, nahm er meinen Tod in Kauf?«
    Gaspares Schweigen war Antwort genug.

    »Er war ein guter Mann«, sagte Michele später am Morgen. Vor ihm lagen etwas Brot und ein halber Kapaun. Er rührte beides nicht an. »Der beste Herr, den sich ein Diener wünschen kann. Er hat ein anständiges Begräbnis verdient. Heute Abend hole ich mit Antonio die Leiche.«
    »So lange wirst du nicht warten müssen«, sagte Matteo. »Ich habe mich beim Hundsturm umgesehen. Die Wachen, die heute Morgen auf der Mauer Dienst hatten, haben gesehen, dass Rauch aus dem Dach dringt. Sie schlagen gerade ein Loch in den Turm.«
    Das Gesicht des Dieners war grau vor Müdigkeit und Trauer. »Ich sollte zu ihnen gehen und berichten, was geschehen ist.«
    Raoul hing seinen eigenen Gedanken nach und hatte nur mit einem Ohr zugehört. In den letzten Stunden war er knapp dem Tod entronnen und hatte kurz darauf erfahren, dass er vielleicht - vielleicht! - sein Leben zurückgewinnen konnte. Das alles war so unvorstellbar, dass es ihm nicht gelang, etwas anderes als Verwirrung zu empfinden. Er blickte Michele an. »Sag ihnen, dass alle außer dir verbrannt sind. Das erspart uns Scherereien.«
    Michele nickte stumm. Wenig später dankte er Raoul und Gaspare für das, was sie getan hatten, und sagte ihnen Lebwohl. Als er fort war, ging Raoul zu Jada bint-Ghassan, die abseits von ihnen saß und ihren Dolch reinigte. Dabei spürte er den Blick seines Gefährten im Rücken. Matteos Misstrauen hatte etwas nachgelassen, als er begriffen hatte, dass die Ägypterin keine Anstalten machte, ihn zu verhexen. Aber gänzlich verschwunden war es nicht.
    Raoul setzte sich zu ihr. Seit dem Verteilen der Vorräte hatte sie kein Wort mehr gesprochen. »Ich habe mich Euch noch nicht vorgestellt«, begann er. »Mein Name ist …«
    »Ich kenne Euren Namen«, erwiderte sie. »Und auch die der anderen.«
    Überrascht von dem abweisenden Ton schaute er sie fragend
an. Sie bedachte ihn mit einem ihrer unergründlichen Blicke und fuhr dann fort, die restliche Verpflegung und ihre Decken einzupacken. Raoul nahm einen der Beutel und half ihr. Schließlich unternahm er einen neuen Versuch. »Wieso seid Ihr allein?«
    »Wieso sollte ich es nicht sein?«
    »Nun, ich hörte, Ihr seid eine Prinzessin. Da, wo ich herkomme, reisen Edelfrauen niemals allein.« Und sind nicht in der Lage, durch Feuer zu gehen, flüsterte eine Stimme in seinen Gedanken.
    Jada bint-Ghassan verschloss einen Beutel und nahm sich den nächsten vor. »Ich bin keine Prinzessin mehr.«
    »Warum nicht?« Raoul rechnete damit, sie mit seinen Fragen zu verärgern. Aber als sie ihn anblickte, verriet ihre Miene keinen Ärger - aber auch keine andere Regung.
    »Weil diese Zeit vorbei ist.«
    Ihr Gesicht, das in Jerusalem hinter einem Schleier verborgen gewesen war, war fein geschnitten, mit einem geschwungenen, sinnlichen Mund und vorspringenden Wangenknochen. Der Hochmut in ihren grünen Augen fehlte, aber Raoul spürte wieder die Melancholie, die wie ein Schatten auf ihr lag. Seit dem Kampf in Battistas Haus hatte er nicht mehr an sie gedacht; bei dem anschließenden Gewaltritt war keine Zeit dafür gewesen. Doch jetzt fühlte er sich wieder zu ihr hingezogen - nicht nur, weil sie eine sehr schöne Frau war. Da war noch etwas anderes, ein Gefühl der Vertrautheit, das sie in ihm hervorrief. Dabei wusste er von ihr nichts als den Namen.
    Er dachte daran, wie er am gestrigen Abend den Eindruck gehabt hatte, beobachtet zu werden. Da die Ägypterin ihre Namen kannte und offenbar noch viel mehr über sie wusste, musste sie sich seit Jerusalem mehr als einmal in ihrer unmittelbaren Nähe aufgehalten haben. Wer, bei allen Heiligen, war diese Frau? »Warum seid Ihr uns gefolgt? Habt Ihr gehofft, wir würden Euch zum Zepter führen?«
    »Gut geraten«, sagte sie spöttisch, nahm ihre Beutel auf und
schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. Raoul stand auf und folgte ihr. So leicht gab er nicht auf.
    »Warum sucht Ihr nach dem Zepter? Wollt Ihr Euch seine Heilkräfte zunutze machen?«
    »Die Heilkräfte interessieren mich nicht.« Vor dem Zimmer begann ein Säulengang, der den quadratischen Innenhof des Anwesens umlief. Der Garten darin war ein Urwald aus dornigen

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