Der Gesandte des Papstes
ziemlich sicher zu sein.«
»Wenn sie uns schaden wollte, wieso hat sie uns dann gerettet?«
»Wer weiß schon, was in einer Hexe vorgeht«, sagte Gaspare gedehnt.
Raoul lachte leise. »Eine Hexe? Dafür hältst du sie?«
»Ja, genau dafür halte ich sie!« Matteo stand auf, befreite sich aus der Decke, knüllte sie zusammen und warf sie beiseite. Er ging nah an Raoul heran. »Und weißt du, was ich außerdem denke? Wir sollten zusehen, dass wir sie schleunigst wieder loswerden.«
Nun stieg auch in Raoul Ärger auf. »Bedankst du dich so bei jemandem, der dir das Leben gerettet hat?«
Gaspare riss die Hände in die Luft. »Gütiger Himmel, na schön! Gib ihr etwas Silber, und dann jag sie zum Teufel, bevor sie ihre Hexenkünste noch an uns ausprobiert. Wir haben ohne sie schon genug Scherereien.«
Michele regte sich unter der Decke. Doch obwohl Raoul und Gaspare beinahe schrien, wachte er nicht auf. Die gestrigen Ereignisse mussten ihn zu Tode erschöpft haben.
»Scherereien - ja, die haben wir in der Tat! Gestern wurde ich zum zweiten Mal in einem Monat fast getötet. Ich denke, es wird Zeit, dass du mir endlich verrätst, was es mit diesem geheimnisvollen Stab auf sich hat.«
Der Klang von Gaspares Stimme veränderte sich, wurde vorsichtig. »Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß«, erwiderte er.
»Diesen Unsinn von Zauberkräften und ewigem Leben? Hältst du mich wirklich für so einen Narren, Matteo?«
»Es spielt keine Rolle, ob es Unsinn ist oder nicht. Der Papst glaubt daran.«
»Und der Sultan? Was ist mit dem Sultan?«
Darauf wusste Gaspare keine Antwort. Im Amanusgebirge hatte Raoul gespürt, dass sein Gefährte ihm etwas verheimlichte. Nun wusste er, dass ihn sein Gefühl nicht getäuscht hatte. Seine Stimme wurde leise und schneidend. »Sag mir alles, Matteo. Ich werde dich kein zweites Mal darum bitten.«
Gaspare verstand, dass es ihm Ernst war. Die Streitlust war von ihm gewichen, und seine Zungenspitze fuhr nervös über die Oberlippe. »Was wir suchen, ist kein Stab, sondern ein Zepter. Athanasios nannte es ›Stab‹, um zu verschleiern, was sich dahinter verbirgt. Salomo der Große hat es geschmiedet, vor über zweitausend Jahren. Und es hat wirklich Zauberkräfte. Es kann kein ewiges Leben schenken, aber es hat die Macht, Lahme wieder gehen und Blinde wieder sehen zu lassen. Es heilt gebrochene Knochen und tödliche Schwertwunden, Pest, Fieber, Cholera und jedes andere Leiden.«
In seiner Wut hatte Raoul die Arme gehoben. Jetzt sanken sie herab, als wäre jegliche Kraft aus ihnen gewichen. Er schluckte, bevor er mit brüchiger Stimme fragte: »Jedes Leiden? Auch meines?«
»Auch deines«, sagte Gaspare. »Verstehst du jetzt, warum Papst und Sultan mit allen Mitteln versuchen, es in ihre Hände zu bekommen?«
Raouls Hände zitterten. Das kann nicht sein, so etwas gibt es nicht, war sein einziger Gedanke. Matteo versucht wieder, dich zu täuschen … Er packte ihn am Kragen seines Wamses und zog ihn zu sich heran. »Lüg mich nicht an, Matteo«, flüsterte er.
Der schmächtige Mann strampelte und versuchte sich zu befreien,
aber er konnte nichts gegen den Griff ausrichten. »Das ist nicht gelogen!«, schrie er. »Ich schwöre es!«
»Er spricht die Wahrheit«, sagte Jada bint-Ghassan.
Ihr plötzliches Erscheinen überraschte Raoul so sehr, dass er den Toskaner losließ. Sofort brachte Matteo einige Schritte Abstand zwischen sich und Raoul und zupfte sein Wams zurecht, während die Angst aus seinen Zügen wich. Michele war inzwischen aufgewacht und beobachtete verwirrt das Geschehen aus schlaftrunkenen Augen.
Jada bint-Ghassan trug einen weiten, sahnefarbenen Mantel aus schlichtem Tuch. Ihr schwarzes Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten. Sie ging an Raoul und Matteo vorbei, legte die prallgefüllte Ziegenblase ab und öffnete ihren Beutel. Er enthielt Äpfel, zwei gebratene Kapaune und Brotfladen. »Für euch«, sagte sie. »Esst.«
Beiläufig bemerkte Raoul, dass die Ägypterin einwandfreies Latein sprach. »Er hat die Wahrheit gesagt?«, fragte er scharf. Sein Zorn war noch nicht vollends erloschen.
»Die Heilkräfte des Zepters. Es ist genauso, wie er es Euch erklärt hat.«
Raoul fühlte sich wie damals in Blaises Gemach, als er von seiner Krankheit erfahren hatte. Die Wirklichkeit um ihn schien ihren Zusammenhalt zu verlieren. Nur seine Wut hinderte ihn daran, fortzulaufen, an einen Ort, wo er seine Gedanken ordnen konnte. Er blickte Matteo an. »Wieso hat mir Morra
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