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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Dass er so viel Zeit brauchte, zu sich zu kommen, lag an dem Traum. Es war ein alter Traum, der ihn seit jener Nacht im Wadi Shatnat al-Mityahah immer wieder besuchte. Manchmal einmal im Monat, aber nie öfter als sechs- oder siebenmal im Jahr. So war es bisher gewesen - bis Konstantinopel. Seitdem träumte er ihn jede Nacht.
    Die Reiter waren Männer von Ashwaq al-Tufail gewesen, einem gefallenen Edlen aus Aleppo. Al-Tufail hatte den Emir verraten und war vor seiner Hinrichtung in die Wüste geflohen. Seitdem überfiel er von seiner Festung über dem Euphrat Beduinen und Karawanen. Seine Raubzüge hatten ihn reich an Gold und Gefolgsleuten gemacht. Die Wüstenstämme, die untereinander uneins waren, konnten jeder für sich nichts gegen ihn ausrichten. Auch der Emir griff nicht ein, denn dem Schicksal der Beduinen im dünn besiedelten Osten des Emirats schenkte er keine Beachtung. Kadars Vater hatte das Gebiet gemieden, über das al-Tufail herrschte. So weit im Süden hatte niemand mit einem Angriff gerechnet; entsprechend unvorbereitet war der Stamm gewesen, als die Reiter angriffen. Kadar war gleich zu Beginn von einem der Räuber aufs Pferd gezogen worden. Später, während man ihn mit anderen Sklaven nach Damaskus brachte, hatte er dann erfahren, dass sein Vater, seine Mutter und Nadirah tot waren. Seiner Schwester war die Kehle durchgeschnitten worden, nachdem drei Männer sie vergewaltigt hatten. Es gab nichts, was sie hätte dagegen tun können - so hatte er damals gedacht, in den Sklavenpferchen und auf dem Schiff nach Konstantinopel. Aber die Jahre danach hatten ihm seinen Irrtum aufgezeigt. Nadirah hätte sich verteidigen können, sie
hätte fliehen können. Es gab immer etwas, das man tun konnte - und wenn es nur Warten auf die richtige Gelegenheit war. Doch Nadirah hatte gar nichts getan. Sie hatte den Weg der Schwachen gewählt: Erdulden. Ertragen. Leiden.
    Sie war gestorben, weil sie schwach war.
    So einfach war das.
    Kadar trocknete sich ab, zog Hemd und Hose an und nahm sein Messer. Es war eine gute Klinge aus französischem Stahl, einst im Besitz eines christlichen Soldaten, den er in Akkon getötet hatte. Er hatte sie zuletzt vor mehreren Wochen geschliffen, aber sie war noch immer scharf wie gesplittertes Obsidian. Vorsichtig schabte er sich die Stoppeln an Kiefer und Hals fort. Er rasierte sich jeden zweiten Tag. Er hielt nichts von einem Bart, zu unpraktisch.
    Im Gegensatz zu Basileios Lakapenos hatte er Ashwaq al-Tufail nie vergessen. Er hatte nicht zugelassen, dass er ihn vergaß. Immer, wenn er in Nordsyrien war, hörte er sich um, sammelte Gerüchte und Neuigkeiten: über al-Tufails jüngste Raubzüge, die Zahl seiner Männer, wann er seine Festung verließ und für wie lange - und jedes Mal gelangte er zu dem Schluss, dass es noch zu früh war. Al-Tufail war ein zu starker Gegner für ihn. Trotzdem gab er nicht auf. Er hatte gelernt, auf die richtige Gelegenheit zu warten.
    Vor zwei Jahren hatte er dann erfahren, dass al-Tufail an der Gallischen Krankheit litt und der Wahnsinn mehr und mehr seinen Verstand vernebelte. Er zettelte keine Raubzüge mehr an, jagte den Großteil seiner Männer davon und umgab sich Tag und Nacht mit seinen treuesten Kriegern, denn überall wähnte er Feinde. Auch seine Festung verließ er nicht mehr, was Kadars Pläne zerschlug, ihm in der Wüste aufzulauern. Die Festung anzugreifen war sinnlos. Sie lag auf einem Felsen hoch über dem Euphrattal, war nur über einen schmalen, unwegsamen Pfad zu erreichen und von wenigen Kriegern leicht zu verteidigen.

    Kadar wartete weiter. Aber es fiel ihm nicht mehr so leicht wie früher. Mit der Krankheit hatte er einen Gegenspieler bekommen, der ebenfalls nach al-Tufails Leben gierte und den jeder Tag seinem Ziel näher brachte.
    Und jetzt träumte er Nacht für Nacht von al-Tufail, ausgelöst von seiner Rache an Lakapenos. Al-Munahid verstand die Botschaft des Traums: Warte nicht länger. Nimm al-Tufails Leben, bevor es zu spät ist. Obwohl die Voraussetzungen nicht besser waren als vor zwei Jahren, hatte er begonnen, sich einen Plan zurechtzulegen. Das Gold, das ihm dieser Auftrag einbrachte, ermöglichte ihm, Männer anzuheuern. Er dachte an hundertzwanzig bis hundertfünfzig voll bewaffnete und ausgerüstete Lanzenträger, Schwertkämpfer und Bogenschützen, denn er brauchte sie nur für wenige Tage.
    Doch hatte er den Plan wieder verworfen. Es reichte nicht. Er hatte genug Belagerungen miterlebt, um zu wissen, dass die

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