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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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statt. Mit anderen Worten: Israel gab einer islamistischen Widerstandsorganisation seinen Segen, und im Gegensatz zur PLO arbeitete die Hamas in Palästina von nun an ganz legal.
    Auch für Rabin war die PLO der eigentliche Feind; die Hamas schien ihm, wie vielen in Israel, ein leichterer Gegner zu sein als die Fatah. In der Tat sprach manches für diese Annahme, denn die Hamas hatte sich bis dahin mit militärischen Operationen zurückgehalten und lehnte zunächst auch eine Beteiligung am »Aufstand der Steine« ab. Doch welche Ziele verfolgte die Hamas wirklich?
    Die Hamas war aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen, der ältesten politischen Partei in der arabischen Welt, 1928 im ägyptischen Ismailia gegründet. Ursprünglich hatten sich die Muslimbrüder dem Kampf gegen die Engländer und die westliche Dekadenz verschrieben, nach dem Ende des Kolonialismus engagierten sie sich dann im ganzen arabischen Raum mit demselben Eifer für eine religiös legitimierte Politik im Sinne eines reinen, authentischen Islam. Sie betrachteten
sich als Erben der Kalifen, dazu ausersehen, dem Islam seinen alten Glanz, seinen wahren Inhalt und seine ursprüngliche Kraft zurückzugeben. Nicht anders als Syrer, Ägypter und Iraker beriefen sich also auch die Muslimbrüder auf eine ruhmreiche Vergangenheit – die einen sonnten sich im Glanz mächtiger Vorgängerreiche, die anderen wollten an eine Epoche anknüpfen, in welcher der Islam eine unwiderstehliche politische Gestaltungskraft besaß.
    Der ägyptische Präsident Nasser, ein durch und durch weltlicher Politiker, sollte ihr erstes prominentes Opfer werden, doch das Attentat der Muslimbrüder von 1954 schlug fehl, ihre Partei wurde in Ägypten verboten, viele von ihnen wanderten daraufhin nach Europa aus, nach England, Deutschland, in die Schweiz, und nicht wenige wurden erfolgreiche Geschäftsleute. Seither hatten die Muslimbrüder den Kampf jedenfalls eingestellt, um sich neu zu formieren und ihre Kräfte für den Tag X aufzuheben.
    Die Ideologie der Hamas in Gaza hatten sich unter dem Druck der Ereignisse entwickelt. Unsere jungen Leute sahen, dass die Israelis ihre Ansprüche auf den Talmud gründeten, und sie fragten sich: Wenn die Israelis mit ihrer religiösen Legitimation solche Erfolge feiern, warum besinnen wir uns nicht auf den Islam als politische Kraft – auf jene Religion, in deren Namen so viele Kriege gewonnen, so zahlreiche Eroberungen gemacht wurden? Warum sollte man Energien, die seinerzeit unwiderstehlich waren, nicht erneut nutzen, um die politischen Probleme der Gegenwart zu lösen? Die Ideen eines politischen Islam fielen da auf fruchtbaren Boden und trieben immer mehr junge Männer in die Arme einer Bewegung, die zwangsläufig in scharfen Gegensatz zur PLO geraten musste, denn Aktivisten wie Arafat, Abud Iyad oder Abu Said waren strikt dagegen, Religion und Politik zu vermischen. Beide Sphären auseinanderzuhalten, war eine Grundregel der Fatah.

    In den Augen der Hamas waren wir PLO-Mitglieder deshalb keine wahren Muslime, sondern Verräter am Islam und somit Gottlose. Dieser Dissens war schon in den 1960er-Jahren zutage getreten. Die Unstimmigkeiten zwischen den Muslimbrüdern und der Fatah begannen damit, dass sie den palästinensischen Gefallenen und Ermordeten den Rang von Märtyrern streitig machten, weil unsere Leute für ein politisches Ziel, nicht für den Glauben gestorben waren. Später, nach Arafats Rückkehr nach Palästina, spitzte sich die Situation dermaßen zu, dass die Kämpfer der Hamas unsere Anhänger guten Gewissens töteten, in dem Glauben, eine gottgefällige Säuberung von gottlosen Elementen vorzunehmen – so ließ sich die Hamas tagtäglich vernehmen, so wurde es selbst in den Moscheen gepredigt. Und nun, Ende der 80er-Jahre, boykottierte die Hamas zumindest anfangs den Aufstand in den besetzten Gebieten. Nicht, dass sie Pazifisten gewesen wären. Aber man wollte es sich nicht mit den Israelis verscherzen, es lockte sie auch kein Märtyrertum, weil der Tod in einem politischen Befreiungskampf nicht den Weg ins Paradies ebnet, und vor allem wollte man sich nicht mehr der Autorität der PLO beugen.
    Erst als ihre jungen Leute unruhig wurden, als sie ihre Führer fragten, warum man nur die anderen kämpfen lasse, schloss sich die Hamas der Intifada an. Sie rutschte praktisch in den Aufstand hinein – lehnte es jedoch weiterhin ab, mit der vereinigten Widerstandsfront zusammenzuarbeiten, die den Kontakt zur PLO hielt. Es

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