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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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zahlenmäßig waren die Israelis erdrückend überlegen: Einem arabischen Aufgebot von knapp 20000 Mann standen 45000 reguläre Soldaten und 65 000 Reservisten auf israelischer Seite gegenüber. Hinzu kam, dass die arabischen Einheiten ohne gemeinsames Oberkommando operierten und sich in Einzelaktionen verzettelten. Am Ende des ersten israelisch-arabischen Kriegs herrschte Israel über ein weitgehend »befreites« Gebiet: Hatten vor der Staatsgründung 1 200 000 Araber in Palästina gelebt, so war ihre Zahl bis 1950 auf weniger als 200 000 geschrumpft.
    Die Sieger gingen unverzüglich daran, auch noch die Spuren der bisherigen Bewohner Palästinas zu verwischen. Insgesamt 450 arabische Dörfer wurden gesprengt. In vielen Fällen wurden sogar die Reste dieser Dörfer vollständig abgetragen, sodass nichts mehr an sie erinnerte, nicht einmal ihre Namen. An ihre Stelle traten neue Siedlungen mit jüdischen Einwohnern und hebräischen Namen. So schreibt man mit Dynamit die Geschichte eines Landes um. Ob Wochen, Monate oder Jahre nach unserer Flucht, jedenfalls machten sich die Israelis die Mühe, auch unseren Palast zu sprengen. Als ich Jahrzehnte
später den Ort meiner Kindheit aufsuchte, fand ich nur noch einen kümmerlichen Trümmerhaufen vor. Im Laufe der Zeit hatte sich mancher dort bedient – es war ja ein sehr wertvoller Stein. Verrostet, aber unversehrt lag etwas abseits der Panzerschrank meines Vaters. Und an einem der beiden Zementpfosten, die einst das Tor zu unserem Grundstück bildeten, entdeckte ich die Worte, die mein Vater seinerzeit in den frischen Zement geritzt hatte. »Dies ist ein Geschenk Gottes« steht da in arabischer Schrift bis heute zu lesen.
    1948 brach innerhalb weniger Monate also eine ganze Welt zusammen. Wir Palästinenser fassen die Erfahrungen dieses Jahres in dem Wort »nakba« zusammen, das so viel wie »Katastrophe« bedeutet. Im November 1948 wurde auch meine Familie in diese Katastrophe hineingezogen.
    Was genau meinen Vater letztlich zum Aufgeben bewog, weiß ich nicht. Wochen vorher war es ganz in der Nähe zu einer Schießerei gekommen, bei der er selbst an der Hand verletzt wurde und sein Freund ein Auge verlor. Möglich, dass dieser Zwischenfall den Ausschlag gegeben hatte. Auch denkbar, dass er seine Familie in Sicherheit bringen wollte, bevor er durch einen gezielten Angriff der Israelis gezwungen würde, noch einmal selbst zur Waffe zu greifen. Es wird jedenfalls kein einsamer Beschluss meines Vaters gewesen sein. Diese Flucht konnte nur mit der Hilfe vieler anderer vorbereitet und durchgeführt werden; außerdem war nicht nur meine Familie zur Flucht entschlossen, auch eine große Zahl von Nachbarn und Verwandten wollte sich uns anschließen.
    Ich war in ihre Pläne natürlich nicht eingeweiht, wusste aber, was es zu bedeuten hatte, als eines Mittags Ende November Maultiere, Esel, Pferde und Lastkamele auf unserem Grundstück zusammengezogen wurden. Es ging dann alles in großer Eile vor sich, weil unsere Karawane bis zum Einbruch der Dunkelheit startbereit sein musste. Matratzen, Decken und Essensvorräte wurden aus dem Haus geschafft und den
Eseln und Maultieren aufgepackt, die Zelte wurden abgebaut und die Kamele damit beladen. Als die kleineren Karawanen der anderen Familien eintrafen, wurde auch ich verstaut, in einem der Sattelkörbe, die den Maultieren zu beiden Seiten herabhingen. Dann brachen wir auf.
    Es war ein langer Zug aus Packtieren, Reittieren und Menschen, der sich da nach Einbruch der Nacht in Bewegung setzte. Ihre Zahl vermag ich nicht zu schätzen, aber ich stelle mir vor, dass wir einen ähnlichen Anblick geboten haben wie die Kinder Israels bei ihrem Auszug aus Ägypten – nur dass wir im Begriff waren, das Gelobte Land zu verlassen. Unter der Führung eines ortskundigen Beduinen schlugen wir einen Weg in südwestlicher Richtung quer durch die Wüste ein, weil uns die Straße nach Gaza zu gefährlich erschien, wo auch nachts israelische Militärfahrzeuge patrouillierten. Keiner sprach. Der ganze Zug bewegte sich schweigend fort, allenfalls wurde hier und da geflüstert, und ich wusste, warum – damit sie uns nicht hörten. Bis zum Morgengrauen wurde keine Rast gemacht; wer Hunger bekam, aß im Reiten oder Laufen – Wasser und Brot hatten wir dabei, und es gab jemanden, der damit von einem Ende des Zugs zum anderen lief. Ich schlief die meiste Zeit, musste aber hin und wieder aus dem engen Sattelkorb befreit werden, um meine Beine zu bewegen,

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