Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
also gegenüber – und gab mir in allen Punkten recht. Mir wurde rasch klar, dass dieser freundliche, blauäugige Palästinenser aus Damaskus, Student der Volkswirtschaft und Kettenraucher, viel Erfahrung, großes Wissen und klare Vorstellungen besaß. Im Gegensatz zu mir kannte er sich im arabischen Vereinswesen in Deutschland aus und schlug
mir vor, in die Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS) einzutreten, eben jenen Verein, der auf der tumultartig verlaufenen Sitzung des arabischen Studentenvereins den Stein des Anstoßes gebildet hatte. Er riet mir auch, Kontakt zu den Deutschen aufzunehmen. Alles, was Hayel vorbrachte, war klug und durchdacht, und im Verlauf des langen, vertrauensvollen Gesprächs dieses Vormittags entdeckte ich eine Seelenverwandtschaft, die zum Fundament einer engen Freundschaft werden sollte. In allen Situationen hat Hayel Abdel-Hamid später unverbrüchlich zu mir gestanden, hat sich für mich auch dann eingesetzt, wenn ich Flankenschutz oder Rückendeckung brauchte, und bis zu seiner Ermordung knapp dreißig Jahre später war er mir eine ständige Stütze, ein brüderlicher Freund.
Amin und ich traten also unverzüglich der GUPS bei. Ich bat Amin, kein Wort über meine Mitgliedschaft bei der Fatah verlauten zu lassen, denn das ganze Thema des palästinensischen Widerstands besaß innerhalb der arabischen Welt eine Brisanz, die alle Vorsichtsmaßnahmen rechtfertigte, wie folgende Episode aus dem Jahr 1963 zeigt.
Algerien war im Jahr zuvor unabhängig geworden. Abu Dschihad ging davon aus, dass die Algerier nach dem erfolgreichen Ende ihres eigenen Befreiungskampfs mehr Sympathie als andere für die Fatah aufbringen würden und verhandelte in Algier über die Eröffnung eines Fatah-Büros. Bei etlichen Politikern fand er auch Gehör, stieß aber bei Präsident Achmed Ben Bella auf Widerstand. Ben Bella war ein enger Verbündeter Nassers, der einer Konfrontation mit Israel unbedingt vermeiden wollte, und Ben Bella teilte dessen Meinung über die Fatah – er hielt diese Leute nicht unbedingt für Agenten der CIA, aber für Hasardeure, für Abenteurer. Um Ben Bella umzustimmen, bat mich Abu Dschihad, alle mir bekannten Palästinenser aufzufordern, sein Vorhaben in Telegrammen an den algerischen Präsidenten zu unterstützen.
Das tat ich, und es wirkte. Wir bekamen unser Büro in Algier, und zwar in einem Gebäude, das der französischen Armee noch vor nicht allzu langer Zeit zu Verhören und Folterungen gedient hatte.
Ähnlich folgenreich wie meine Freundschaft mit Hayel sollte für mich die Begegnung mit einem anderen Palästinenser werden, mit Hani el-Hassan, dem Vorsitzenden der GUPS in Frankfurt. Wir trafen uns einmal die Woche im Club der ausländischen Studenten in der Robert-Mayer-Straße, und auch mit Hani freundete ich mich bald an. Eine unserer ersten politischen Aktionen im Rahmen des Studentenvereins war ein Protesttelegramm an die syrische Führung, die damals eine Gruppe palästinensischer Offiziere zum Tode verurteilt hatte. Sie waren durch den Strang hingerichtet worden.
Hayel und Hani wären für die Fatah ein großer Gewinn, so viel war klar. Hier handelte es sich um kluge, erfahrene Organisatoren. Ich hielt es für geraten, Abu Dschihad in einem Brief auf die beiden aufmerksam zu machen. Zwei, die sich mit den deutschen Verhältnissen so gut auskennen, wären für uns sehr wertvoll, schrieb ich ihm. Wie sich herausstellte, waren der eine wie der andere Abu Dschihad bereits bekannt, und er führte einen Beschluss herbei, die beiden anzuwerben. Nur – war es ratsam, dass ich, der Jüngere und Unerfahrenere, die Gespräche mit ihnen führte?
Da erlebte ich mit Hayel die nächste Überraschung. Eines Tages besuchte er mich in Langen – und wollte nun seinerseits mich anwerben! »Hani und ich haben über dich gesprochen«, sagte er. »Wir möchten, dass du in unserer Bewegung mitmachst.« – »Welcher Bewegung?«, wollte ich wissen. Er nannte einen Namen, der auf Deutsch »die Rückkehrer« lautet. Ich hatte nie davon gehört. Hayel setzte mich ins Bild. Es handelte sich um eine Gruppe palästinensischer Studenten in Deutschland, die entschlossen waren, die Rückkehr nach Palästina mit allen Mitteln zu erzwingen. Im Lauf unseres Gesprächs
stellte sich dann heraus, dass die Rückkehrer praktisch dieselben Ziele wie die Fatah verfolgten. Jetzt war Zurückhaltung nicht mehr angebracht. »Ich kann nicht bei euch mitmachen«, entgegnete ich ihm, »ich fühle
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