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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Auf den Gedanken, Benita eine Begegnung zu verweigern, wäre er bei allem Groll nicht gekommen. Sein Stolz hätte es niemals zugelassen, einen Gast abzuweisen. Natürlich durfte ich Benita nicht begleiten. Als PLO-Mitglied gehörte ich einer terroristischen Organisation an, und die Einreise nach Gaza wäre mir selbstverständlich verweigert worden.
    Ich hatte also meine Beduinin gefunden. Oder, wie man bei uns sagt: Kammal-nus-dienu – er hat die zweite Hälfte seiner Religion bekommen. Ein Unverheirateter ist nach unserem Verständnis nur ein halber Muslim. Ich war jetzt also ein ganzer Muslim, und ich war glücklich. Ob Benita ahnte, was auf sie zukam? Zumindest war ihr klar, dass sie sich meine Liebe mit Palästina teilen musste, und gleich das erste Jahr unserer Ehe sollte ihr einen Vorgeschmack darauf geben, was sie an meiner Seite erwartete.
    Ich arbeitete mehr denn je. Interviews, Vorträge, eine breit gefächerte Kulturarbeit und erste Gehversuche auf dem diplomatischen Parkett der Bundesrepublik. Die Büros der Arabischen Liga hatten die Aufgabe, durch Kontakte zu Medien und Politikern Sympathiewerbung für die arabische Welt und nicht zuletzt für die Palästinenser zu betreiben, die jeweiligen Landesvertreter dort waren Diplomaten, mitunter im Rang eines Ministers, und wer die Protektion der Liga genoss, dem öffneten sich viele Türen. Einzig die israelische, die amerikanische und die englische Botschaft sprachen keine Einladungen an die Liga aus. Alle anderen Botschaften erlebte ich in rascher Folge als Gastgeber, ich ließ keinen Empfang aus, versuchte, in diesem Milieu so viele Bekanntschaften wie möglich zu schließen und wurde selbst sehr schnell bekannt. Dass mein Studentendasein inzwischen ein sang- und klangloses Ende genommen hatte, brauche ich kaum zu erwähnen.
    Dennoch bin ich von meinen Leuten später regelmäßig als Dr. Frangi oder Dr. Abdallah angeredet worden. Es war einfach
zwecklos, sie auf diesen Irrtum hinzuweisen. 2004 hielt ich einen Vortrag im Flüchtlingslager Deir el Balah im Gazastreifen; auch dort wollte niemand wahrhaben, dass ich keinen Doktortitel besaß. Irgendwie gehörte sich das nicht. Die Schmach meiner akademischen Würdelosigkeit wollten sie jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen – und überraschten mich bei meinem nächsten Besuch mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde des Flüchtlingslagers Deir el Balah, Block C6! Ich habe die Tränen der Rührung kaum zurückhalten können.
    Anfang September 1972 nahm ich an einem Treffen palästinensischer Studenten aus aller Welt in Beirut teil. Am Morgen nach meiner Rückkehr setzte ich mich wie gewohnt in meinen Opel Commodore und fuhr zum Büro der Liga in Bonn. Es war der 5. September, der elfte Tag der Olympischen Spiele in München. Ich hatte noch keine Nachrichten gehört, nach den schönen Tagen in Beirut wollte ich mich nicht gleich wieder vom politischen Alltagsgeschäft vereinnahmen lassen. In Bonn stellte ich den Wagen ab und überquerte die Friedrich-Wilhelm-Straße, als ein Auto mit beträchtlicher Geschwindigkeit direkt auf mich zuhielt, sodass mich nur ein Sprung auf den Bürgersteig rettete. Irritierend war auch die nervöse Betriebsamkeit auf den Korridoren im Gebäude der Liga. Menschen liefen zwischen den Büros hin und her oder standen, erregt miteinander redend, in Gruppen beisammen. Dann klärte mich jemand auf: Ein Kommando des Schwarzen September hatte in München elf israelische Sportler als Geiseln genommen. Das Auswärtige Amt hatte schon nach mir gefragt – ich würde in München gebraucht.
    Einer nach dem anderen trafen die arabischen Botschafter ein. Da ich zu wenig über die Vorgänge wusste, beteiligte ich mich an ihrer erregten Diskussion hauptsächlich mit Fragen. Nach der Sitzung kam Dr. Khatib, der Chef der Liga, auf mich zu. »Abdallah«, sagte er, »du gehst auf keinen Fall nach München.
Diese Verantwortung kannst du nicht tragen. Wenn einer von uns hingeht, dann ich.«
    Das tat er.
    Niemand hatte so etwas je erlebt, und die Hilflosigkeit aller Anwesenden hatte etwas Gespenstisches. Wie gelähmt vor Entsetzen und Fassungslosigkeit verließ kaum jemand den Sitzungssaal. Es war vereinbart worden, dass Dr. Khatib uns regelmäßig anrufen und auf dem Laufenden halten sollte. Es stellte sich aber heraus, dass er in München zu ähnlicher Tatenlosigkeit verurteilt war wie wir in Bonn, weil sich die Israelis gleich zu Beginn des Dramas eingeschaltet hatten und seine Teilnahme an den

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