Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Deutschen. Ich wusste, wie verbittert sie waren, welche Hoffnungen sie auf diese Olympiade gesetzt hatten, dass sie dieses Attentat wie einen Stich ins eigene Herz empfanden. Aber auch ich war schockiert und hatte den Anschlag auf einer Pressekonferenz in München scharf verurteilt, und vor allem: Ich hatte nichts damit zu tun. Das Bild, das ich mir von Deutschland gemacht hatte, war zerstört.
Wenige Stunden später saß ich in einem Flugzeug nach Kairo. Zeit, einen Koffer zu packen, hatte ich nicht gehabt. Zeit, von Benita und Baschar Abschied zu nehmen, auch nicht. In Kairo wurde ich von einer regelrechten Menschenmenge erwartet. Gerhard Konzelmann, der Korrespondent der ARD, machte noch auf dem Flughafen ein Interview mit mir. »Wo
waren eure deutschen Freunde?«, fragte er mich. »Ich habe festgestellt, dass wir keine Freunde haben«, antwortete ich.
Von Kairo flog ich weiter nach Beirut, wo sich die Führung der PLO jetzt, nach der Katastrophe in Jordanien, eingerichtet hatte. In den Fatah-Kreisen herrschte eine allgemeine Verärgerung, ja Verbitterung über die Vorgehensweise der Bundesrepublik. Ich konnte nur darauf hinweisen, dass die deutsche Polizei schlecht über die Verhältnisse im Nahen Osten unterrichtet sei. Arafat hatte die Idee, die DDR um die Aufnahme der ausgewiesenen Studenten zu bitten – und löste das Problem damit tatsächlich, die DDR übernahm alle dreihundertdreißig Abgeschobenen. Welch ein Verlust für die Bundesrepublik! Diese Menschen wären die besten Botschafter Westdeutschlands in der arabischen Welt geworden.
Ich musste Benita und Baschar nachkommen lassen, aber wann und wohin? Wie sollte es überhaupt weitergehen? Meine Ausweisung hatte uns alle drei in eine fatale Lage gebracht. Kaum verheiratet, kaum Mutter geworden, war Benita gezwungen, Deutschland zu verlassen, womöglich für immer, denn ich für meinen Teil hatte mit Deutschland abgeschlossen, ich wollte um keinen Preis zurück, auch wenn ich das Verfahren, das Benita gegen meine Abschiebung angestrengt hatte, schließlich gewinnen sollte. Benita selbst bereitete sich darauf vor, mir zu folgen, aber es erschien mir nicht sinnvoll, sie sofort nach Beirut nachkommen zu lassen. Im Reisen unerfahren, wie Benita war, müsste sie obendrein damit fertigwerden, lange Zeit mit Baschar allein zu sein, weil ich häufig im gesamten arabischen Raum unterwegs sein würde, zumal ich gleich nach meiner Ankunft im Libanon als Mitglied der Fatah in den Nationalrat der PLO aufgenommen worden war. Also beschloss ich, abzuwarten. Ich wollte zunächst Klarheit darüber gewinnen, wie es weiterginge.
In diesen Tagen fanden hitzige Debatten innerhalb der Führung der Fatah statt, in die ich einbezogen wurde. In langen
Sitzungen wurde über angemessene und unangemessene Formen des Widerstands gestritten, über die Unterscheidung zwischen terroristischen Aktionen, die sich gegen Zivilisten richteten, und militärischen Maßnahmen, die der Befreiung Palästinas dienten. Es setzte sich die Ansicht durch, dass Flugzeugentführungen ein Irrweg seien, ein blindwütiges Umsichschlagen aus Motiven, die viel mit Rache und wenig mit den Notwendigkeiten eines Befreiungskampfs zu tun hatten. Allerdings waren wir gezwungen, unsere Verurteilung terroristischer Aktionen im Ausland nicht zu drastisch zu formulieren, um die radikalen Gruppen nicht zu reizen, deren Unberechenbarkeit wir selbst fürchteten. Terrororganisationen wie der Schwarze September hatten sich ja aus Verärgerung darüber gebildet, dass Arafat und die Führung der PLO nach der Vertreibung aus Jordanien auf eine Reorganisation der Kräfte, auf eine Erholung der Kämpfer im Libanon, mit anderen Worten: auf eine Atempause setzten, während sie selbst den Kampf auf Biegen und Brechen fortsetzen wollten. In jedem Fall war die damals fällige Neudefinition des Widerstands eine Gratwanderung – wir durften an unserer Ablehnung von Flugzeugentführungen und Anschlägen im Ausland keinen Zweifel lassen, um nicht alle Welt gegen uns aufzubringen, wir durften aber auch nicht allzu nachgiebig erscheinen, wenn wir eine Spaltung der PLO in zwei verfeindete Flügel verhindern wollten.
Einen Monat nach meiner Ankunft in Beirut schickten mich Arafat und Abu Dschihad mit einem Sonderauftrag nach Algier. Nach meiner Abschiebung war es nötig geworden, einen neuen Aufgabenbereich für mich zu finden, das hatte eine Weile gedauert, und nun sollte ich Kontakt zu den Befreiungsbewegungen in Afrika aufnehmen
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