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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Gesprächen im Krisenstab nicht erwünscht war. Auf die Entwicklung der Dinge hatten wir also keinen Einfluss.
    Nach endlosen Stunden des Wartens in einer Atmosphäre tiefster Niedergeschlagenheit fuhr ich spätnachts zurück nach Rolandseck. Am folgenden Tag trafen wir uns wieder im Kreis der Botschafter. Dr. Khatib rief aus München an und bestätigte, was wir in den Nachrichten gehört hatten: »Es ist eine Katastrophe.« Sämtliche Geiseln und fünf der acht Geiselnehmer waren bei einem chaotischen Befreiungsversuch deutscher Polizisten in der Nacht durch Gewehrschüsse und Handgranaten getötet worden. Bundeskanzler Willy Brandt hatte offenbar den ägyptischen Präsidenten Sadat um Vermittlung gebeten, andere hatten versucht, die Tunesier einzuschalten, jeder um mich herum war atemlos beschäftigt, nur ich stand abseits. Hätte ich gegebenenfalls in München vermittelt? Ich bin heilfroh, dass mir das erspart blieb. Es gibt nichts Schlimmeres, als am Ort des Geschehens zu sein und nicht eingreifen zu können. Davon abgesehen wäre mein Einfluss gering gewesen. Es mischten so viele mit, dass ich so oder so zum ohnmächtigen Zuschauer verurteilt gewesen wäre. Jetzt war mir wenigstens vergönnt, die furchtbaren Ereignisse aus gnädiger Entfernung mitzuerleben.

    Kaum hatten die Deutschen durch die Nachrichten von dem Anschlag erfahren, schlug mir, schlug allen Palästinensern grenzenloser Hass entgegen, der sich vor allem in Drohanrufen Luft machte. Anfangs wurden nur die bekannten Telefonnummern arabischer Diplomaten gewählt, bald aber wurde jedem der Tod angedroht, der im Verdacht stand, Palästinenser zu sein. Ich nahm den Hörer ab, hörte jemanden »du Schwein« hervorstoßen und legte gleich wieder auf. Baschar war gerade zwei Monate alt; ich hatte Angst um ihn, ich hatte Angst um Benita. Drei Tage hielt ich es in Bonn aus, am vierten fuhr ich mit beiden zu den Schwiegereltern nach Langen, wo sie in Sicherheit waren. Außerdem wurde ich in Bonn nicht mehr gebraucht, und in Frankfurt trafen pausenlos Hilferufe von palästinensischen Studenten ein.
    Die GUPS wurde zur verbotenen Organisation erklärt, und die ersten palästinensischen Studenten wurden aus Deutschland ausgewiesen. Ich schaltete einen Rechtsanwalt, Herrn Heldmann, ein, ich beschwerte mich beim Landeskriminalamt, ich rief alle deutschen Politiker an, die ich kannte. Zwecklos. Von den Politikern war keiner zu erreichen. Zum ersten Mal, seit ich nach Deutschland gekommen war, verspürte ich Angst. Bis dahin hatte ich felsenfest an den deutschen Rechtsstaat geglaubt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so weit gehen würde, Unbeteiligte abzuschieben und Studenten aus dem Studium zu reißen, nur um das Rachebedürfnis der deutschen Bevölkerung zu befriedigen. Aber man ging so weit. Und dann setzte eine Hetzkampagne in allen deutschen Medien ein. In diesen Tagen wollte Benita vom Bahnhof Langen mit dem Taxi nach Hause fahren, nannte dem Taxifahrer die Adresse ihres Elternhauses, und der Fahrer weigerte sich. Dort wohne einer der Terroristen, ließ er Benita wissen.
    Mitte September war klar, dass Innenminister Genscher in allen deutschen Städten wahllos Palästinenser aussuchen und abschieben ließ – ohne Begründung, ohne Prozess, von heute
auf morgen. Wie ich später erfuhr, wurden mehr als dreihundert Studenten als Reaktion auf das Attentat von München ausgewiesen, darunter mein Freund Nabil.
    In der Frühe des 26. September umstellten Polizisten das Haus meiner Schwiegereltern in Langen, verschafften sich Zutritt, durchsuchten die Zimmer und forderten mich auf, mitzukommen. Ich war verhaftet. Mein Schwiegervater geriet außer sich vor Zorn, die Polizisten beachteten ihn gar nicht. Ich wurde umgehend dem Haftrichter vorgeführt. Er verlas die Beschuldigungen, die gegen mich erhoben wurden, und ich erfuhr, dass bei mir Baupläne oder Skizzen gefunden worden seien, aus denen hervorgehe, dass ich die jordanische und die libanesische Botschaft in die Luft sprengen wolle. (Diese ominösen Pläne wurden mir nie gezeigt. Sie existierten nicht. Sie waren Fantasieprodukte der Kriminalämter.) Die Nacht verbrachte ich im Gefängnis von Heusenstamm, ohne Kontakt zur Außenwelt, aber mit einem Radio, aus dem ich am nächsten Morgen von meiner eigenen Abschiebung erfuhr. Mir seien Verbindungen zur palästinensischen Terrorszene nachgewiesen worden … Nie hätte ich so etwas in Deutschland für möglich gehalten. Ich verstand die Empörung der

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