Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Zerwürfnisse zu riskieren. Auch ich bemühte mich in Frankfurt, in Heidelberg, überall, wo wir als GUPS vertreten waren, um eine einheitliche Linie der Vernunft. Ich traf auf Widerstand, beharrte aber auf meinem Standpunkt, dass diese Terroraktionen verwerflich seien und unserer Sache schaden würden – und war daher erleichtert, als Arafat nach einigem Zögern (nämlich nach dem Attentat von München) entschieden gegen die Akteure des internationalen Terrorismus vorging. Den Ersten, der danach ein Flugzeug in seine Gewalt brachte, ließ er verhaften – es war ein gewisser Abu Mahmud, der eine Maschine von Beirut nach Kuwait entführt hatte.
Auch mein Leben änderte sich in diesem bewegenden, erregenden Jahr 1970 entscheidend. Denn im September wurde ich von Arafat zum PLO-Vertreter bei der Liga der Arabischen Staaten in Bonn ernannt. Das war ein enormer Vertrauensbeweis, zumal die Mehrheit des Zentralkomitees meine Entsendung befürwortet hatte. Von nun an hatte ich ein eigenes Büro, eine Sekretärin, ein festes Gehalt und alle Möglichkeiten politischer Kontaktaufnahme, die sich aus der engen
Verbindung mit der Arabischen Liga ergaben. In der Absicht, dem Ansehensverlust der Palästinenser in Europa entgegenzuwirken, entsandte Arafat seine inoffiziellen Botschafter auch in andere europäische Hauptstädte. Mein Kollege in Paris wurde Mahmud el Hamschari, in Rom zog Wael Zueter ins Büro der Liga ein, in London übernahm Said Hamami die Vertretung der PLO, und das Brüsseler Büro wurde mit Naim Khader besetzt. Alle vier waren brillante Intellektuelle, und alle wurden sie im Laufe der folgenden Jahre ermordet.
Im Grunde verfolgte die PLO mit unserer Benennung den Aufbau einer Elitetruppe, auch wenn mir das Wort damals nicht in den Sinn gekommen wäre. Im Unterschied zu vielen ausländischen Diplomaten beherrschten wir die jeweilige Landessprache, waren im Umgang mit der Presse geübt und verfügten bereits über gute Kontakte im jeweiligen Land. Von nun an fiel mir also die schwierige Aufgabe zu, den Schaden zu beheben, den die deutsch-palästinensischen Beziehungen genommen hatten, und den Standpunkt der Palästinenser in der deutschen Öffentlichkeit zu vertreten, bei Veranstaltungen, in den Medien und auf der politischen Ebene.
Zum Schluss sei hier an das prominenteste Opfer der Tragödie von Amman erinnert: Gamal Abdel Nasser. In einem verzweifelten Versuch, das Blutbad in Amman zu stoppen, hatte Nasser am 28. September 1970 sämtliche arabischen Präsidenten und Könige zu einer Konferenz nach Kairo geladen. Nachdem er am Abend dieses Tages das letzte Staatsoberhaupt am Flughafen verabschiedet hatte, erlitt er auf dem Rückweg in die Stadt einen tödlichen Herzinfarkt. Ich teile die Vermutung, dass er an gebrochenem Herzen starb.
Anschlag auf die Olympischen Spiele
Als ich Benita kennenlernte, war sie elf, eines der vier Kinder der Familie Dugas in Langen. Wir waren uns in der Anfangszeit also häufig begegnet, hatten uns aber später, als ich nach Frankfurt umzog, etwas aus den Augen verloren. Ich hatte jedoch den Kontakt zu den Menschen, die mich nach meiner Ankunft in Deutschland so warmherzig aufgenommen hatten, nie abgebrochen, und deshalb sah ich Benita 1968 wieder – ihr Vater hatte mich damals, als ich nach meiner Rückkehr aus Damaskus keine Bleibe und kein Geld hatte, als Freund behandelt und mich für eine Übergangszeit wieder in seinem Haus wohnen lassen. Seither sahen Benita und ich uns gelegentlich. 1970 wurde aus unserer Bekanntschaft Liebe. Zwei Jahre später heirateten wir und zogen von Frankfurt nach Rolandseck bei Bonn, wo wir morgens vom Tuckern der Lastkähne auf dem Rhein geweckt wurden. Am 31. Juli 1972 kam unser Sohn Baschar zur Welt.
Fortan weigerte sich mein Vater, mit mir zu reden. »Heirate eine Beduinin«, hatte meine Mutter mir ans Herz gelegt, und zweifellos wäre die Ehe mit einer Palästinenserin auch nach dem Wunsch meines Vaters gewesen. Er war enttäuscht, zumal ich ihn nicht gefragt hatte. Sein Schweigen währte bis 1980. Damals besuchte Benita meine Eltern in Gaza, hatte auch den achtjährigen Baschar und die dreijährige Muna mit auf die Reise genommen und gewann im Handumdrehen das Herz meines Vaters. Sie legte die Tracht und den Kopfschmuck der Beduininnen an, sie begleitete meine Eltern nach Beerscheva, sie setzte Baschar auf ein Pferd, und nach drei Tagen rief mich mein Vater an: Benita sei von einer Beduinin
nicht zu unterscheiden … Alles war gut.
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