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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Siebzehn-Stunden-Tag war für mich keine Seltenheit, und dabei sollte es die kommenden Jahre bleiben. Gleich als Erstes übersetzten wir die Rede Arafats, wobei es Inge Presser gelang, den beschwörenden Ton des arabischen Originals in die deutsche Fassung hinüberzuretten. Auf Kosten der Liga ließen wir achtzigtausend Exemplare dieser Rede drucken. Dass die deutschen Medien sich ausführlich mit ihr befassten, dürfte unser Verdienst gewesen sein. Eine Zeit unaufhörlicher Reisen und Auftritte schloss sich an. Ich hielt Vorträge, gab Interviews, nahm die Einladung zu Diskussionsrunden im Fernsehen an, traf mich mit meinen politischen Freunden. Worauf ich besonders stolz bin: Wir ließen die Werke palästinensischer Schriftsteller in deutscher Übersetzung veröffentlichen und gaben Sammelbände mit Beiträgen palästinensischer Autoren heraus, die in Europa und den USA lebten. Was verband der Durchschnittsdeutsche mit Palästina? Das, was er im Stundentakt der Rundfunknachrichten darüber erfuhr, oder das, was er den – oft einseitigen – Darstellungen im politischen Teil der Zeitungen entnahm. Mir lag daran, die Palästinenser selbst durch die Stimme ihrer reichen Literatur zu den Deutschen sprechen zu lassen, und auch damit war ich erfolgreich: Als ich nach Deutschland kam, gab es so gut wie keine Literatur aus oder über Palästina. Als ich Deutschland 2004 verließ, gab es Hunderte von Titeln zu diesem Thema – dank des Engagements Hunderter deutscher Schriftsteller und Journalisten, die bereit waren, den Vorwurf des Antisemitismus in Kauf zu nehmen.
    In einem Punkt erzielte Arafats Vorhut in Europa allerdings keine Fortschritte: Da die PLO sich weigerte, Israel offiziell
anzuerkennen, versagten die Europäer ihrerseits der PLO ihre Anerkennung. Daran ließ sich nichts ändern. Arafat wollte sich die Anerkennung Israels für direkte Verhandlungen mit Israel aufsparen, er dachte gar nicht daran, dieses Pfand aus der Hand zu geben – das verlangten die Regeln der Staatskunst, hatte aber natürlich zur Folge, dass die deutschen Politiker offiziell weiterhin einen Bogen um mich machten. Doch, der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher war für mich zu sprechen, allerdings in der FDP-Zentrale, nicht im Auswärtigen Amt. »Hier trage ich den Hut der FDP«, sagte er. »Aber erzählen Sie hinterher nicht der Presse, Sie hätten mich als PLO-Vertreter im Auswärtigen Amt getroffen!« Das tat ich wohlweislich nicht. Mir war klar, dass der Versuch, uns auf Kosten Israels zu profilieren, zum Scheitern verurteilt wäre. Hinter den Kulissen durfte ich mich frei bewegen, die Bühne war für mich bis auf Weiteres verbotenes Terrain.
    Aber etwas anderes lag in meiner Macht. Ich hatte bemerkt, dass wir Araber insgesamt keine Sprache fanden, um unseren Standpunkt in den europäischen Medien klar und annehmbar zumachen. Vor allem die Deutschen reagierten schnell befremdet oder gar brüskiert auf die als scharf und hitzig empfundene arabische Rhetorik. Wir Araber hatten mit anderen Worten ein kulturell bedingtes Kommunikationsproblem, und oft schnitten wir, gerade im Vergleich mit israelischen Interviewpartnern, schlecht ab. Dieses Problem war für mich von grundlegender Bedeutung, ich will deshalb etwas weiter ausholen.
    Rhetorik, der kunstvolle und auch emotionsgeladene sprachliche Ausdruck, spielt in der arabischen Kultur eine enorme Rolle. Dichter und Schriftsteller werden in Palästina verehrt, weil sie die Hoffnungen des palästinensischen Volkes auf schöne und kraftvolle Weise zur Sprache bringen. Das Gleiche gilt für gute Redner wie Abu Iyad, Abu Said oder auch
Arafat. Abu Dschihad war eher im Gespräch überzeugend. Aber Abu Iyad war mitreißend, Arafat oft fesselnd. Er behielt sein Publikum im Auge, er schien mit seinem Blick beim Sprechen auf jeden Einzelnen zu zielen. Der Chef meines Begleitschutzes, der Arafat bei mir zu Hause erlebte, sagte mir später: »Als er mich anschaute, hatte ich das Gefühl, als würde er sich mit seinem Blick in mein Inneres bohren. Ich musste wegschauen.« Intensität und Emotion zeichnen den arabischen Stil aus, und auch ich beherrschte in meinen ersten Frankfurter Jahren keine anderen rhetorischen Mittel als die großen Worte, die bildhafte Ausdrucksweise, die eindringliche Beschwörung durch Wiederholung eines Sachverhalts in wechselnden Wendungen – gepaart mit der orientalischen Erregbarkeit, an die ich gewöhnt war. Im studentischen Milieu mochte das angehen, auf

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