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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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der boshafte Funken, der sie angetrieben hatte, mehr und mehr zu verglimmen. Zwar erwarb sie eine neue Sklavin an Idras Stelle, ein hageres älteres Weib namens Leda, das aus Thrakien stammte. Leda war ihrer Herrin hündisch ergeben, aber Nikarete fasste kein Vertrauen zu ihr und wurde mürrisch und missmutig. Für die Mädchen in Nikaretes Haus änderte sich nicht viel, und doch gab es eine große Veränderung. Die allgegenwärtige Angst war mit der schwarzen Sklavin Idras endlich verschwunden.
    Es vergingen fast acht Jahresumläufe, in denen Neaira ihrem Gefängnis kaum entkam. Obwohl Nikarete sie nicht schlug und einen großen Teil ihres Schreckens verloren hatte, blieb sie eine Sklavin in Nikaretes Haus. Neaira hatte vergeblich versucht einen der Männer so weit für sich zu entflammen, dass er sie von Nikarete freigekauft hätte. Sie liebten ihren Körper und ihre Gesellschaft, doch sie liebten Neaira nie genug, um sie alleine für sich haben zu wollen.
    Die Götter sind launisch , dachte Neaira in Augenblicken der Verbitterung. Hätte sie sich nicht Aristokleia angeschlossen, die zwar nie ein Ersatz für die schwesterliche Zuneigung Metaneiras wurde, doch ein freundliches Mädchen war – sie wäre trübsinnig geworden.
    So jedoch verbarg sie ihre Verzweiflung und verlor nicht den Verstand.
    Phrynion kam nicht mehr in Nikaretes Haus, was Neaira, ohne dass sie es sich eingestehen wollte, verletzte.
    Es war, als hätte es diese eine vielversprechende Nacht zwischen ihnen niemals gegeben. Eine kurze Zeit nach Metaneiras Tod gab sie sich der tröstenden Hoffnung hin, Phrynion würde versuchen sie von Nikarete freizukaufen.
    Aber es vergingen Wochen, und aus Wochen wurden Jahre, bis Neaira alle Hoffnung tief in ihrem Herzen begraben hatte. Sie erfuhr nie ob Phrynion versucht hatte, Lysias von Metaneiras Schwangerschaft zu unterrichten.
    Nach einiger Zeit gab Neaira ihre sinnlosen Hoffnungen schweren Herzens auf.
    Sie wusste nicht wann es geschah, doch an einem Morgen wachte sie auf und stellte beim Blick in den Bronzespiegel fest, dass sie eine junge Frau geworden war, ihr Körper schlank mit Rundungen und üppigem Busen, ihr Haar lang und glänzend. Das Gesicht hatte die rundliche Weichheit der Jugend verloren, und an ihre Stelle waren hohe Wangenknochen und geschwungene Augenbrauen getreten; nur ihre braunen Augen besaßen weiterhin den Ausdruck einer ungreifbaren Verletzlichkeit.
    An dem Tag, an dem sie das erste Mal die Frau im Bronzespiegel sah, wusste Neaira, dass ihr die Zeit davonlief.
    Immer öfter begann sich Neaira zu sorgen, da es noch immer keinen Mann gab, der sie so sehr schätzte, dass er sie hätte freikaufen wollen. Sie war nicht die schöne Helena, der die Herren zu Füßen lagen. Neaira begann den Tag zu fürchten, an dem das Interesse der Herren an ihr nachließ und sie sich jedem Mann, sogar den groben Seeleuten, die den Hafen Korinths anliefen, für ein paar Obolen anbieten müsste. Also schob sie ihren Stolz beiseite und betete immer flehender zu Aphrodite, sie davor zu bewahren.
    Eines Abends, als Neaira meinte die Ungerechtigkeit des Lebens nicht mehr ertragen zu können, nahm sie die kleine Statue der Göttin, vor der sie jeden Abend ihren Weihrauch verbrannt hatte, und warf sie an ihre blau getünchte Wand, wo sie in tausend Scherben zersprang.
    „Ich verzichte auf deine Gnade, Aphrodite! Wenn du mir nicht hilfst, will ich nicht mehr deine Tochter sein.“
    Da endlich schien Aphrodite ihre Gebete zu erhören.
    Es war ein ganz normaler Abend, an dem Neaira das Andron betrat, sich gelangweilt umsah und zu Timanoridas Kline ging, der zur Seite rückte und grinsend auf das Polster klopfte. Ein Abend mit Timanoridas bedeutete Schmerzen - dementsprechend missmutig war Neaira.
    Der Mann, der ihr in den Weg trat und sie mit einem seltsam überrumpelten Gesichtsausdruck anstarrte, war vorher noch nie in Nikaretes Haus gewesen. Er war ein ansehnlicher junger Mann in einen mit Borten besetzten Chiton gekleidet. Neaira fand seinen Blick belustigend. „So muss wohl Paris die Helena angestarrt haben, bevor er sie geraubt hat“, sagte sie frech und wollte an ihm vorbeigehen, als er ihr Handgelenk festhielt.
    „Helena muss gegen dich wie ein Bauernweib ausgesehen haben“, antwortete er. In seiner Stimme lag so viel Bewunderung, dass Neaira stehen blieb und ihn sich genauer ansah.
    „Du musst heute Abend auf meiner Kline liegen.“
    Es war keine Bitte, dieser Mann war gewohnt seine Wünsche erfüllt

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