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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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die hinab bis ans Wasser und an die kleine Anlegestelle reichten – oder Stelling, um das hier bevorzugte holländische Wort zu benutzen.
    »Wie viele ausländische Familien leben denn noch hier?«, fragte Matthew.
    »Der Ingenieur Robbo, also Andy Robinson, der Betriebsleiter und ihre Frauen. Die Regierung hat sie eingestellt, um uns bei unserer Arbeit zu helfen.«
    »Und wie finden es die Frauen hier?«, wollte Johns wissen.
    »Es gefällt ihnen recht gut … bleibt ihnen ja auch gar nichts anderes übrig, was?« Lennie lachte herzlich und fügte dann hinzu: »Nein, es macht ihnen nichts aus. Lassen sich öfter vom Chauffeur nach Georgetown fahren, haben Dienstboten, ein angenehmes Leben und finden immer was zum Tratschen.«
    Matthew versuchte sich Stewart Johns' elegante Frau hier vorzustellen. Das brachte ihn auf seine Schwester Madi. Sie würde dieses seltsame multikulturelle Land lieben, dachte er. Sie hätte Spaß an dieser unglaublichen Landschaft und auch an den Partys. Er beschloss, noch heute Abend an sie zu schreiben.
    An der Anlegestelle wurden sie kurz weiteren Firmenangestellten vorgestellt und nach einigem Hin und Her war auch die Transportfrage geklärt. Dann fuhren sie zu der zwanzig Kilometer entfernten Mine. Hier wurde der Bauxit aus zwei tiefen, offenen Gruben herausgesprengt und über ein Förderband auf alte 35-Tonner verladen.
    Die Australier waren froh, endlich den eigentlichen Kernpunkt ihres Auftrages von verschiedenen Aussichtspunkten betrachten zu können und einen Überblick über die Minenarbeiten zu bekommen. Aber die drückende Schwüle machte sich bald unangenehm bemerkbar, und Lennies Kommentare waren eher jovialer, touristischer Art und weniger eine informative Aufzählung der Fakten, die die Neuankömmlinge wirklich interessiert hätten.
    »Und jetzt der große Willkommensknall«, verkündete er und schwenkte seinen Hut in eine Richtung, in der nichts zu sehen war. Innerhalb von Sekunden wurden große Mengen von Erz und Staub in die Luft geschleudert, und das laute Donnern explodierenden Dynamits grollte über sie hinweg.
    »Na, was sagen Sie dazu?«, rief Lennie und schwenkte seinen Hut in offenbarer Anerkennung für den unsichtbaren Minenarbeiter, der die Sprengung beaufsichtigte. »Ein anständiger Knall, mindestens so anständig, wie Sie ihn anderswo für Ihr Geld kriegen.« Er schlug sich auf die Schenkel, sichtbar erfreut über das Ganze.
    Kevin, stets ganz der Ingenieur, flüsterte Matthew zu: »Haben wahrscheinlich mehr Sprengstoff verwendet als nötig. Und viel Erz ist dabei nicht losgesprengt worden. Die Sprenglöcher waren vermutlich nicht richtig gebohrt.«
    Als sie das Betriebsgebäude erreichten, wurden sie von einem lächelnden Vivian Prashad begrüßt. »Ich bin Prashad. Stellvertretender Betriebsleiter. Ingenieur. Universität Georgetown«, verkündete er, bevor Matthew oder Kevin dazu kamen, ihn Stewart Johns auf förmlichere Weise vorzustellen. »Wie schön, neue Fachkollegen kennen zu lernen. Sehr gut, dass Sie uns helfen werden, Arbeitspraktiken von Weltstandard für unsere Mine zu entwickeln.« Er schüttelte ihnen allen die Hand, nickte immer wieder und zeigte beim Lächeln seine strahlend weißen Zähne.
    Der Inder führte sie herum, er gab informativere Kommentare als Lennie, und das Team überließ es Johns, die schwierigen Fragen zu stellen, während sie sich gelegentlich Notizen machten.
    Ihnen allen wurde sofort das Hauptproblem klar. Der ganze Maschinenpark der Mine war heruntergekommen und schäbig. Stolz wies Prashad sie darauf hin, mit wie viel Geschick und Erfindungsgabe die Angestellten die maroden Maschinen reparierten.
    »Sehr bewundernswert«, murmelte Johns. »Normalerweise würden solche Teile ersetzt, anstatt sie zu reparieren.«
    Vivian Prashad zuckte leicht entschuldigend die Schultern. »O ja, schon, Mr. Johns, schon. Aber wenn kein Geld für Ersatzteile da ist, müssen wir das benutzen, was wir haben – und das ist hauptsächlich die Geschicklichkeit unserer Männer.« Er lächelte breit. »Sie werden merken, dass wir gut im Improvisieren sind. Ja, Improvisation ist in Guyana bei allem wichtig.«
    Lennie mischte sich ein. »Wussten Sie, dass vor einigen Jahren der Bahninspektor hier den Männern beibrachte, wie man die Wickelung von Zugmotoren erneuert, damit die Lokomotiven weiterfahren konnten? Einer der Mechaniker verließ Guyana, wanderte in die USA aus und bekam einen Job bei Amtrak. Dort fand er heraus, dass kaputte

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