Der Geschichtenverkäufer
konnte Maria helfen. Je länger wir miteinander sprachen, desto klarer wurde mir, daß sie mir einen erstklassigen Vorschlag gemacht hatte. Sie betonte, daß wir einen Pakt schließen müßten. Wir mußten einander versprechen, uns nicht wiederzusehen, wenn sie erst einmal nach Stockholm gegangen war, darauf bestand sie. Wir würden einander nie wiedersehen. Nicht einmal ihre Adresse wollte sie mir geben. Und wir mußten einander auf Ehre und Gewissen schwören, daß die Vaterschaft unser Geheimnis blieb. Ich sollte nur erfahren, ob ich einen Sohn oder eine Tochter hatte.
Ich war so entzückt von diesem Sujet, daß mir das Blut wie wild durch den Körper jagte. Maria war mir nicht nur ebenbürtig, ich fand, daß sie mich an Dreistigkeit und Begabung noch übertraf.
Es war mir nur recht, einer Frau zu einem Kind zu verhelfen, das nicht mein Kind sein würde. Ich hatte mich schon immer gern verbreitet, mich ergossen, und dennoch hatte mich das, was Urheberrecht genannt wird, nie sonderlich interessiert. Ich hatte kein Bedürfnis nach Applaus für etwas empfunden, was ich in die Wege geleitet oder hinterlassen hatte, schon als Kind hatte ich das so empfunden. Niemand hatte applaudiert, wenn ich Taxen bestellte, dennoch war es eine hervorragende Idee gewesen, und Dank von irgend jemandem brauchte ich dafür nicht.
Wir würden einander in der nächsten Zeit oft sehen, auch das war mir wichtig. Es fiel mir immer schon schwer, weiter als bis in die allernächste Zukunft zu blicken. Ich habe nach hinten und zur Seite geschaut, doch Buch über die kommenden Tage habe ich niemals führen können. Ich sagte zu Maria, daß ich ihre Bedingungen annähme, es werde mir eine Ehre sein, sie zu befruchten, sagte ich, eine Ehre und ein wahres Vergnügen. Danach lachten wir lange. Es war ein vulgäres Lachen. Unsere Lust wuchs und wuchs.
Es folgten einige herrliche Wochen, noch immer kommt es mir so vor, als hätte ich nur während dieser Wochen wirklich gelebt.
Wir bezeichneten unsere besondere Beziehung als Liebe ad hoc . Natürlich konnten wir nicht den ganzen Tag im Bett liegen und ein Kind machen, trotzdem waren wir rund um die Uhr zusammen. Wir machten lange Spaziergänge durch die Stadt und den Wald, und ich erzählte Maria meine spannendsten Geschichten. Maria gefiel vor allem die komplizierte Geschichte eines Schmuckhändlers, der nach reiflicher Überlegung erst stirbt und dann einen makabren Dreifachmord begeht. Ich erzählte ihr auch die Geschichte, die ich dem Autor im Club 7 verkauft hatte. Maria würde ja ins Ausland gehen.
Einige Geschichten mußte ich zweimal oder öfter erzählen. Maria wollte versuchen, sie auswendig zu lernen. Das Problem war nur, daß ich eine Geschichte nie wieder genauso wie beim ersten Mal erzählen konnte. An solchen Stellen griff Maria ein und spielte die Souffleuse. Sie konnte nicht begreifen, warum sie sich besser als ich selber an den Verlauf meiner Geschichten erinnern konnte. Ich erklärte ihr, daß ich im Grunde nur eine Kunst beherrschte, nämlich die der Improvisation.
Bald kam der Tag, auf den wir beide gewartet hatten. Maria voller Freude, ich voller Kummer. Der Schwangerschaftstest fiel positiv aus, und Maria jubelte. Aus purem Übermut sagte sie, ich würde einen »wunderbaren Papa« abgeben. Und auch darauf folgte ein etwas zu grobes Lachen.
Maria verbrachte noch zwei Monate in Oslo, bevor sie nach Stockholm ging. Wir sahen einander wieder seltener. Manchmal rief sie an und fragte, ob ich nach Kringsjä kommen und ihr eine Geschichte erzählen wolle, und ich zierte mich nicht, aber ich fand die Vorstellung seltsam, daß sich in ihrem Körper bereits ein Stück von mir festgesetzt hatte.
Dann war Maria verschwunden. Vorher rief sie mich noch einmal an. Ich brachte sie nicht zum Zug.
Ich war also der richtige Mann, um einer Frau ein Kind zu machen, das nicht seins sein sollte. Warum sollte ich Maria nicht das Kind geben, das sie sich wünschte? Es war leicht. Es kostete nichts. Es kostete mich nichts. Ich fand, ich hatte ihr zu danken. Aber alles hat zwei Seiten, ich wußte noch nicht, daß ich trotz allem einen hohen Preis bezahlen würde. Ich würde Maria nie wiedersehen.
Es dauerte noch einige Jahre, ehe unser feierliches Gelöbnis in Kraft trat. Sie kam insgesamt viermal mit der Kleinen nach Oslo. Maria nannte sie nur »Goldi«, aber sicher hatte sie ihr auch einen anderen Namen gegeben. Ich ging davon aus, daß Maria diesen Kosenamen benutzte, um mir zu
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